Heißer Schlaf
und lächelte, und die anderen wußten, daß Cammar nichts passiert war – man konnte ihn nur von oben nicht sehen. Hoom rannte zu den anderen zurück.
»Können wir ihn erreichen?« fragte Stipock.
»Er liegt nicht sehr weit unten«, antwortete Hoom. »Ihr könnt mich über den Rand hinunterlassen. Ich bin der leichteste von denen, die nicht schwanger sind.« Er lächelte Dilna an. Hooms Zuversicht hatte sie ein wenig beruhigt, und sie lächelte zurück. »Ihr braucht nur meine Beine festzuhalten.«
Gleich darauf packte Stipock Hooms linkes Bein und Wix sein rechtes, und der junge Mann schob sich vorsichtig über den Rand und griff dabei nach unten. »Weiter!« rief Hoom, und Stipock und Wix ließen ihn vorsichtig ein Stück weiter hinunter. »Weiter!« rief Hoom noch einmal, und Stipock antwortete: »Weiter geht es nicht. Wir …«
Aber Hooms aufgeregter Schrei unterbrach ihn: »Spring nicht hoch, Cammar! Bleib da – nicht springen!« Ein gellender Schrei des Kindes, und verzweifelt versuchte Hoom, weiter nach unten zu gelangen, so daß Stipock seinen Fuß loslassen mußte. Mit letzter Kraft konnte Wix ihn festhalten, der jetzt in Gefahr geriet, selbst über den Rand gezogen zu werden. Hooms linker Fuß war nicht mehr zu sehen. Stipock klammerte sich an Wix, um zu verhindern, daß die beiden jungen Leute in den Abgrund stürzten. Wix keuchte, und seine Finger lockerten ihren Griff um Hooms Bein. »Ich kann ihn nicht halten«, sagte er. »Ich kann ihn allein nicht halten!«
»Laßt mich helfen«, schrie Dilna fast hysterisch vor Entsetzen. Ihr Sohn war schon abgestürzt, und jetzt drohte ihrem Mann das gleiche Schicksal. Sie warf sich zu Boden und kroch auf den Rand des Abgrunds zu. Sie war völlig außer sich. »Dilna!« schrie Stipock, und sie griff nach Wix. Das geschah so heftig, daß Wix Hooms Fuß nicht mehr halten konnte. Mit einem Aufschrei versuchte er, seinen Griff zu verstärken, aber Hoom glitt ihm weg, traf den Vorsprung, auf dem Cammar gestanden hatte, schnellte noch einmal hoch und war dann nicht mehr zu sehen.
Dilna war jetzt völlig hysterisch. Kreischend rief sie Hooms Namen und schlug nach Wix. Beide lagen gefährlich nahe am Abgrund, und Stipock fürchtete, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, wenn er irgend etwas unternahm. Dann aber riß er schnell entschlossen Dilna gewaltsam vom Abgrund weg und zog sie auf ebenen Boden. Während sie hemmungslos weinte, ging Stipock vorsichtig zurück und zerrte Wix in Sicherheit.
»Ich habe versucht, ihn festzuhalten«, sagte Wix immer wieder. »Ich habe es wirklich versucht.« Und Stipock sagte: »Ja, ich weiß, natürlich hast du das getan.«
Dann hörten sie Hooms Stimme von unten – nicht laut aber doch vernehmlich. Sofort verstummten sie und lauschten.
»Kommt nicht herunter!« schrie Hoom. Die Wände der Schlucht warfen das Echo zurück.
»Wo bist du?« schrie Stipock.
»Ihr könnt nicht runtersteigen. Versucht es nicht erst!«
»Bist du verletzt?«
»Ich glaube, ich habe mir das Rückgrat gebrochen! Ich kann meine Beine überhaupt nicht bewegen!«
»Wie weit unten liegst du?«
»Nicht herkommen!« schrie Hoom ganz aufgeregt. »Es ist viel zu steil! Und die Steine geben unter mir schon nach – ich werde hier nicht lange liegen.« Zu Stipocks Entsetzen fing der Junge an zu lachen. »Unter mir ist nichts! Fünfhundert Meter, direkt zum Fluß hinunter!«
»Halt dich fest, Hoom«, rief Dilna ihm zu. »Bitte!«
»Daran habe ich selbst schon gedacht«, rief Hoom zurück, und sie hörten ein schabendes Geräusch und einen Schrei von weit unten. Dilna zuckte zusammen, aber Hoom sprach gleich weiter. »Ich halte mich an einem Felsvorsprung fest! Er scheint stabil zu sein!«
Stipock zerbrach sich den Kopf, wie man zu Hoom gelangen konnte. Aber das nächste Seil lag in Himmelsstadt, und der Versuch, hinunterzuklettern, um einen Rückgratverletzten nach oben zu schaffen, war ohne Seil Selbstmord.
»Ich gehe hinunter«, sagte Wix leise.
»Das wirst du nicht tun«, entgegnete Stipock.
»Ich gehe, Stipock«, sagte Wix. »Ich muß ihm helfen!«
»Du bleibst da, verdammt!« brüllte Hoom. »Ich will nicht, daß du mit mir stirbst.«
Wix tobte. »Ich kann ihn doch nicht sterben lassen!«
»Nur weil du Schuldgefühle hast, brauchst du nicht unbedingt auch zu sterben«, sagte Stipock ungerührt, und Wix wandte sich hilfesuchend an Dilna. »Ich habe versucht, ihn festzuhalten«, sagte Wix mit Nachdruck.
»Ich weiß«, antwortete sie. »Das
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