Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heißer Schlaf

Heißer Schlaf

Titel: Heißer Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
dann kam das Signal zur Startvorbereitung. Jazz machte die Sichtwände im Kontrollraum klar, und das Schiff wurde langsam in den rauchigen Sonnenschein an der Oberfläche Capitols hinausgehoben. Um ihn herum wirbelte der Wind die Rauchfetzen, und aus der einfahrbaren Kabine vorn an der nadelähnlichen Nutzlastsektion des Schiffs, in der Jazz saß, sah es so aus, als tanze der Wind für ihn. Tief unter ihm schlossen sich die riesigen Luken des Rumpfes und glitten unter das massive Landegestell, das die gesamte Last der zylinderförmigen Antriebssektion des Schiffs trug.
    Als die Luken geschlossen waren, blieb Jazz einen Augenblick sitzen und wartete auf die Freigabe des Starts, die von der unten im stählernen Labyrinth der Korridore begrabenen Verkehrskontrolle aus erfolgen sollte, deren Gebäudekomplex aus irgendeinem unsinnigen Grund der »Tower« genannt wurde. Während er noch dasaß, verabschiedete er sich im Geiste von Capitol. Von der wimmelnden Menge, die den großen Taten des Helden Jazz Worthing Beifall gezollt hatte. Von den Männern und Frauen, die ihm gedient hatten; von dem unglaublichen Reichtum und dem ebenso unglaublichen Elend; von der Unterdrückung und der berauschenden Freiheit, die in den Korridoren von Capitol so eng beeinanderlagen. Er verabschiedete sich auch vom Somec und stellte fest, daß er das Somec am meisten vermissen würde.
    »Ich bin ein verdammter Heuchler«, sagte Jazz und lachte häßlich über sich selbst. »Ich will das Somec abschaffen und bin genauso wild darauf wie jeder andere.«
    Dann wurde der Start freigegeben, und Jazz drückte den Knopf für das vorgegebene Programm. Er spezifizierte die Route, für die sie Starterlaubnis hatten, und fuhr die Kabine ein, damit sie unter der Belastung beim Start nicht zu Schaden kam.
    Tage später, als das Schiff in trägem Flug bei nur 1,35 g das System Capitol verließ und der Computer immer wieder die Werte überprüfte und an Jason Worthing weitergab, erkannte Jazz den Fehler, den er machte. Würde Hop ihn mögen, wenn sie ihre Kolonie erreichten und Hop wußte, daß Jazz Telepath war? Natürlich, zuerst würden Hop und Arran dankbar sein. Aber Dankbarkeit ist eine der menschlichen Eigenschaften, auf die man sich an wenigsten verlassen kann, sagte sich Jazz. Und ich müßte es wissen. Ich müßte es wissen.
    Er bestätigte die Feststellung des Computers, daß das Schiff für den Sternenflug bereit sei. Die Anzeige auf dem Bildschirm erinnerte ihn daran, daß ihm noch dreißig Minuten blieben, bevor das Schiff abdrehte, um mit voller Leistung Kurs auf Capitols Sonne zu nehmen, wobei es auf eine Geschwindigkeit von fünf, zehn, zwanzig Lichtjahre pro Jahr beschleunigen würde. Wie immer hatte Jazz den albernen Gedanken, daß die gesamte elektromagnetische Strahlung im Universum ihn um die Geschwindigkeit beneidete, die er zur Verfügung hatte.
    »Dankbarkeit ist die am wenigsten zuverlässige menschliche Eigenschaft«, sagte er laut und ging zu dem Raum, in dem die Papiere und Namenslisten der Kolonisten aufbewahrt wurden. Dort fand er die beiden Gedächtnisaufzeichnungen, die ihm der Schlafraumwärter gebracht hatte. Auf dem einen Band stand Arran Handul ly, auf dem anderen Willard Noyock. Jazz empfand einen Augenblick das Verlangen, hinzugehen und sie zu wecken, ihnen die Bänder wieder einzuspielen und sich kurz mit ihnen zu unterhalten. Er hätte sie so gern gebeten, zuzugeben, daß er trotz allem recht gehabt hatte. Aber er unterdrückte dieses Verlangen. Wer im Universum ist je sicher gewesen, daß er recht hatte?
    Außer Abner Doon natürlich.
    Jazz dachte an den Mann, der ihn in seine Sammlung aufgenommen hatte und erinnerte sich an seinen Rat. Kurz entschlossen ging er an die Recycling-Anlage für Abfall und warf beide Bänder hinein. Innerhalb von zehn Sekunden waren sie in ihre Grundmoleküle zerlegt, und diese Verbindungen zerfielen und wurden zu Atomen von Elementen, die für spätere Verwendung in einem statischen Feld hängenblieben. »So leicht morden wir«, sagte er zu sich selbst und ging zu dem Sarg, der in der Kommandozentrale auf ihn wartete – der einzige Sarg im Schiff, der nicht vom Schlafraum aus kontrolliert wurde – der einzige Sarg, der nicht im hintersten Raum des Schiffes stand, der einzige, der seinen Insassen, vom Computer gesteuert, automatisch weckte.
    Jazz legte seine Kleidung ab und verstaute sie. Dann stieg er in den Sarg, legte sich bequem hin und zog sich den Schlafhelm über den Kopf. Dieser

Weitere Kostenlose Bücher