Heißer Trip ins Glueck
die sie hinter sich geschlossen hatte, und versuchte zu verstehen, was soeben geschehen war. „Du musst komplett verrückt geworden sein, Carver”, sagte er halblaut zu sich selbst. Dann ging er ins Bad. Jetzt war eine kalte Dusche sehr angebracht.
5. KAPITEL
Clair nahm an, dass Jacob nicht ohne Grund den Kassettenrekorder im Auto lauter gedreht hatte. Vermutlich wollte er einem Gespräch mit ihr aus dem Weg gehen. Ihr war es recht.
Zum einen gefiel ihr die Mischung der Musik, die von den Rolling Stones über Bruce Springsteen bis zu Led Zeppelin reichte. Zum anderen brauchte sie selbst ein wenig Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen.
Doch aus den Augenwinkeln beobachtete sie Jacob. Er trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad den Takt zur Musik. Ab und zu sang er auch einmal eine Zeile halblaut mit. Meistens ertappte er sich aber dabei, verstummte dann schlagartig und versank wieder in finsteres Brüten. Sie konnte ihm anmerken, dass er es gewohnt war, allein über Land zu fahren, und dass es ihm nicht passte, jemanden dabeizuhaben.
Vor ungefähr drei Stunden waren sie losgefahren. Eben hatten sie die Staatsgrenze nach Georgia überquert. Unterwegs hatten sie kurz in einer Stadt mit dem eigenartigen Namen Don’t Blink angehalten, um ein paar Flaschen Trinkwasser für die Fahrt zu kaufen. Es war ein schwüler Tag mit hoher Luftfeuchtigkeit, und Clair war froh, dass Jacobs Wagen eine Klimaanlage hatte.
Allerdings war ihr durchaus klar, dass es nicht am Wetter lag, dass ihr abwechselnd heiß und kalt wurde. Jacobs Kuss hatte sie bis ins Innerste aufgewühlt. Allein bei der Erinnerung daran verspürte sie ein eigenartiges Flattern im Bauch wie von tausend Schmetterlingen. Ihr Leben lang war ihr Haltung beigebracht worden. Jetzt hatte ein einziger Kuss ausgereicht, das alles infrage zu stellen. Sie hatte sich sehr beherrschen müssen, um Jacob nicht darum zu bitten, weiterzumachen. Wenn sie dagegen an Olivers Küsse dachte, musste sie fast lachen.
Die waren bestenfalls amüsant, eigentlich aber nur brav und bieder gewesen, verglichen mit dem verzehrenden Feuer, das Jacob heute Morgen in ihr entfacht hatte.
Doch sie hatte auch nicht Jacobs Warnung vergessen, dass er für nichts garantieren könne, wenn sie jetzt nicht aufhörten. Aber das nahm sie ihm nicht ganz ab. Abgesehen davon, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass er sich ernsthaft für sie interessierte, hielt sie die Sache mit dem Kuss von seiner Seite eher für einen Einschüchterungsversuch, um sie von ihrem Plan, auf Umwegen nach Wolf River zu fahren, wieder abzubringen. Die Wirkung des Kusses auf sie wurde dadurch nicht geringer, und abschrecken ließ sie sich von ihm schon gar nicht.
Clair betrachtete das hügelige, grüne Farmland, das an ihnen vorbeizog, und nutzte die Gelegenheit, den Mann am Steuer ne ben ihr genauer in Augenschein zu nehmen. Das schwarze T-Shirt umspannte seinen kräftigen Oberkörper und die beacht lichen Oberarmmuskeln. Der Bartschatten auf seinem Kinn unterstrich seine männliche Ausstrahlung. Über der rechten Augenbraue entdeckte sie eine kleine Narbe, deren Form an einen Blitz erinnerte. Die Kinnpartie war sehr ausgeprägt und die Nase leicht gebogen. Die beiden strengen Falten, die von den Nasenflügeln abwärts zu den Mundwinkeln führten, passten gut in dieses markante Gesicht. Und sein Mund … an seinen Mund wollte sie jetzt lieber nicht denken. So attraktiv wie dieser Mann war, konnte sie sich gut vorstellen, dass ihm die Frauen zu Füßen lagen.
Bei diesem Gedanken hielt Clair es für besser, ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Landschaft zu richten. Bald sah sie im kniehohen Gras zwei Jungen, die Drachen steigen ließen. Die beiden Drachen, ein roter und ein gelber, hatten schon ein gutes Stück an Höhe gewonnen, und ihre bunten Schwänze flatterten lustig im Wind.
„So einen hätte ich auch gern gehabt”, sagte Clair verträumt.
Jacob stellte die Musik etwas leiser. „Was hätten Sie gern ge habt?”
„So einen Papierdrachen”, antwortete Clair, ohne den Blick von den Kindern zu lösen.
„Sie haben noch nie einen Drachen steigen lassen?”
„Nein.” Clair lehnte sich in ihrem Sitz zurück und ärgerte sich, ihren Gedanken ausgesprochen zu haben. Es kam ihr jetzt ein wenig sentimental und dumm vor, so als würde sie wegen eines Drachens, den sie nie gehabt hatte, ihre Kindheit beklagen.
„Hatten Sie denn einen?” fragte sie, um von sich abzulenken.
„Aber natürlich.”
„Haben Sie sich
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