Heißer Winter in Texas
endlich
begreifen, daß es einfach nichts mit ihm zu tun hat!«
»Wenn Andrew erleichtert ist, daß seine Frau andere
Frauen liebt, ist er ein sehr ungewöhnlicher Mann.«
»Andrew und ich leben ohnehin nur wie Freunde
zusammen. Er wird Verständnis haben. Und er wird frei
sein. Dann kann er Zusammensein, mit wem er will.«
»Lily, bitte vertrau mir. Niemand von deinen
Bekannten wird es zu schätzen wissen, daß du Frauen
liebst. Und es wird ihnen nicht nur mißfallen, sie
werden dir auch die Daumenschrauben anlegen, um
dich zu überzeugen, daß du mich nie wiedersehen
darfst. Du setzt dich da einem furchtbaren Druck aus.«
211
Sie lächelte. »Du nimmst das zu schwer. Deine Angst
ist unbegründet. Meine Mutter hat mich mit der
Vorstellung erzogen, daß Männer das unterlegene
Geschlecht sind – es war ein kleines Geheimnis, das wir
Frauen für uns behalten. Sex galt als Pflicht – als
scheußliche Pflicht. Jetzt sehe ich, was sich meine
Mutter für mich gewünscht hat. Sie wird glücklich sein.
Mach dir keine Sorgen.«
»Deine Mutter mag gewollt haben, daß du Männer
haßt, aber ich bezweifle, daß sie diese Alternative im
Sinn hatte. Sie wollte vermutlich, daß du verheiratet
und unglücklich bist. Oder sie hat gehofft, daß du allein
bleibst und mit überhaupt niemandem zuammenlebst.«
Lily runzelte leicht die Stirn. »Ich sehe nicht ein,
warum das mit uns derart verfemt sein soll. Es ist doch
so natürlich.«
»Laß uns von etwas anderem reden«, sagte ich. »Ich
wollte dich nicht verstimmen. Tu das, womit es dir am
besten geht, und dulde nicht, daß ich oder sonstwer dir
sagt, wie du dein Leben leben sollst.« Ich streichelte mit
dem Zeigefinger sanft ihr Stirnrunzeln weg. Sie schloß
die Augen und lächelte.
Wir redeten und lachten, tranken viel Kaffee und
futterten Kekse, bis sie sagte, sie müsse nach Hause, um
ihren Tag in Angriff zu nehmen.
212
Ich duschte, zog mich an und rief Gael an, um
sicherzugehen, daß sie schon frisch und munter war.
»Calamity Jane? Buffalo Bill hier. Kannst du mir mal
wieder mit deiner Flinte zur Seite stehen? Wir müssen
die Postkutsche durchbringen.«
»Wohin willst du heute?« fragte sie knurrig.
»Wir müssen zum Flughafen und Tony Mahan
abholen, der aus Los Angeles kommt. Dann sehen wir
weiter.«
Lily begutachtete das Wohnzimmer, als ich
zurückkam. »Deine Wohnung gefällt mir. Du besitzt da
ein paar sehr interessante Stücke.«
Interessant war das entscheidende Wort. Vermutlich
meinte sie das geflügelte runde Vitrinenschränkchen
oder auch die Kombination aus Stehlampe und
Aschenbecher mit dem eingebauten Feuerzeug in
Gestalt eines Mikrophons. Es waren nicht gerade
Einrichtungsgegenstände, wie sie sich in ihrem Haus
fanden.
»Schön, daß es dir gefällt. Vielleicht kommst du ja
wieder.«
»So oft du mich haben willst.«
Mein Herz wirbelte schon wieder wie eine
Animierdame auf einem Kongreß.
213
Anice wartete an der Haustür. Ihr rechtes Ohr stand
im rechten Winkel von ihrem Kopf ab. In ihrer Sprache
bedeutete das ein Fragezeichen.
»In Ordnung. Du kannst mitkommen.«
Sie schoß wie ein Pfeil aus der Tür und in den Hof. In
gemächlicherem Tempo trottete sie weiter, wobei sie
darauf achtete, kein Schlammloch auszulassen. Ich hob
sie hoch und wischte sie mit dem Handtuch für Notfälle
ab, bevor ich sie in den Ford ließ. Sie hüpfte auf Lilys
Schoß und machte es sich dort bequem.
Ich startete und fuhr Richtung River Oaks. Mit dem
Regen war es wie mit dem sprichwörtlichen mittellosen
Onkel, der nur zu Besuch kommen wollte und dann für
immer blieb. Der Himmel war ein Getürm aus dunklen,
zinngrauen Wolken, die über die Dummheit der Spezies
Mensch bitterlich weinten. Gelegentlich blitzte es – die
Mahnung zur Abkehr –, und der Donner dröhnte:
Bereuet! Ich verdrehte die Augen und schnitt eine
Grimasse. Wenn es keine Sünde gäbe, hätte ich nichts
mehr zum drüber schreiben.
»Möchtest du heute zum Abendessen kommen?«
fragte Lily. »Anice könnte meinen Hund kennenlernen,
Ted.«
»Ich wußte gar nicht, daß du einen Hund hast.«
»Oh, doch. Einen Lhasa Apso.«
»Von sowas habe ich noch nie gehört.«
214
»Sie kommen aus Tibet. Der Dalai Lama hat einem
Bekannten von mir in England ein Paar geschenkt. Ted
stammt aus ihrem Wurf.«
Anice rollte die Augen und aus ihren Zügen sprach
Hohn.
Ich sagte: »Ich glaube, ich würde mich doch wohler
fühlen, wenn wir in ein
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