Heißer Winter in Texas
ausgepfiffen,
wenn sie hätte pfeifen können.
Lily setzte Anice sanft auf der Couch ab und rückte
ein Stück an mich heran, dann lehnte sie sich herüber
und küßte mich auf den Mund. Mir schwanden fast die
Sinne. Ich fragte mich, was mit mir los war, und kam
mir entsetzlich dumm vor.
»Ich würde gern ins Schlafzimmer gehen«, sagte sie
leise.
Ich brachte kein Wort hervor, also nahm ich ihre
Hand und führte sie ins Schlafzimmer. Ich zitterte so,
daß ich kaum gehen konnte, aber entweder fiel ihr
nichts auf, oder sie war taktvoll genug, so zu tun. Anice
hopste sichtlich entspannt nebenher.
Ich öffnete die hölzernen Fensterläden, so daß wir in
den Regen sehen konnten. Riesige weiße Äste von
Blitzen zuckten von Ost nach West über den
pechschwarzen Himmel und wieder zurück, dann
wurde alles in Purpur und Weiß getaucht, und der
ganze Himmel blitzte auf. Donner krachte und grollte,
und der Regen trommelte an die Fenster. Wir liebten
uns zur Musik des Unwetters.
Anice sprang mehrfach aufs Bett und warb um
Aufmerksamkeit, schließlich ließ sie sich am Fußende
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nieder, wo sie uns den Rücken zuwandte und ins Leere
starrte, damit ich wußte, wie verletzt sie war.
Ich lehnte mich hinüber, schnaubte ihr ins Ohr und
schnappte spielerisch nach ihr, bis sie sich auf den
Rücken warf, um am Bauch gekitzelt zu werden. Lily
nannte sie ein hübsches Mädchen und küßte sie trotz
ihres sudeligen Bartes. Anice lächelte auf Hundeart und
schlief herzhaft schnarchend ein.
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Am nächsten Morgen wachte ich früh auf und stellte
fest, daß mein linker Arm unter Lily lag und völlig taub
war und mein rechtes Bein praktisch um meinen Hals
gewickelt, damit Anice reichlich Platz hatte. Vor
fünfzehn Jahren hätte ich im Kopfstand schlafen
können, die Glieder verknotet wie eine Brezel, und wäre
wie eine Gazelle aus dem Bett gesprungen. Die Zeiten
waren vorbei. Inzwischen holte ich mir einen
Hexenschuß, sobald ich eine Gabel verkehrt hielt.
Ich manövrierte mich behutsam aus dem Bett und
hinkte ins Bad, um mir die Zähne zu putzen, bevor Lily
aufwachte. Anice hoppelte hinter mir her und machte
Wu-Wu-Geräusche wie eine kleine Dampflok.
»Okay, okay, okay, okay«, beruhigte ich sie und
tätschelte ihr den Kopf. »Wir gehen ja schon spazieren.«
Im Vorbeigehen spähte ich ins Schlafzimmer. Lily
schlief noch.
Wir drehten zwei Runden um den Block und eilten
heim zu den Ingwerkeksen. Lily war aufgewacht und
hatte sich in meinen weißen Frotteebademantel gehüllt.
Sie suchte in der Küche nach der Kaffeekanne und kam
mir entgegen, um mich zu küssen.
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Ich sah ihr beim Kaffeekochen zu. Es schien sie nicht
zu stören, daß es Kekse zum Frühstück gab. Ich hatte
von Anfang an viel von ihr gehalten, aber meine
Achtung stieg in atemberaubendem Tempo immer
weiter.
»Geht‹s dir gut heute morgen?« fragte sie und
versuchte, eine meiner widerspenstigen Haarsträhnen
am Hinterkopf glatt zu streichen.
»Großartig!« Es war die Wahrheit. Ein paar steife
Muskeln und eine leichte Arthritis mochten ein bißchen
schmerzen, aber es war die Art Schmerz, wie wenn dich
ein Team Schmetterlinge die ganze Nacht getreten hat.
»Und selbst?«
»Ich fühle mich wundervoll!« strahlte sie. »Mir ist, als
wäre das Gewicht der ganzen Welt von meinen
Schultern genommen. Jahrelang habe ich mich immer
anders als alle anderen gefühlt. Es ist unglaublich, daß
ich nicht eher dahintergekommen bin. Wie konnte ich
diese Gefühle nur die ganze Zeit ignorieren? Zum
erstenmal in meinem Leben bin ich imstande, mich
richtig zu verlieben.«
Hätte das eine andere gesagt, ich hätte sie sofort vor
die Tür gesetzt und den Riegel vorgelegt. Offenbar
meldete sie Ansprüche auf mich an, aber es war mir
überhaupt nicht unbehaglich. Ich fühlte mich nicht
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vereinnahmt. Es gefiel mir sogar. Um ehrlich zu sein, es
gefiel mir sehr.
»Ich kann es gar nicht erwarten, das allen zu
erzählen!« fuhr sie fort.
»Oha! Nicht so stürmisch, Lily. Was meinst du damit
– es allen zu erzählen?«
»Meinen Freundinnen und Freunden. Meinen Eltern.
Andrew. Sie werden sich so für mich freuen.«
»Ich glaube, da täuschst du dich. Ich weiß genau, wie
du dich fühlst. Aber die anderen werden das nicht
verstehen.«
»Nein, nein, das stimmt nicht. Du kennst sie nicht.
Andrew wird erleichtert sein, weil es nicht seine Schuld
ist, daß ich ihn nicht liebe. Verstehst du? Er wird
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