Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
Vom Netzwerk:
ausgepfiffen,
    wenn sie hätte pfeifen können.
    Lily setzte Anice sanft auf der Couch ab und rückte
    ein Stück an mich heran, dann lehnte sie sich herüber
    und küßte mich auf den Mund. Mir schwanden fast die
    Sinne. Ich fragte mich, was mit mir los war, und kam
    mir entsetzlich dumm vor.
    »Ich würde gern ins Schlafzimmer gehen«, sagte sie
    leise.
    Ich brachte kein Wort hervor, also nahm ich ihre
    Hand und führte sie ins Schlafzimmer. Ich zitterte so,
    daß ich kaum gehen konnte, aber entweder fiel ihr
    nichts auf, oder sie war taktvoll genug, so zu tun. Anice
    hopste sichtlich entspannt nebenher.
    Ich öffnete die hölzernen Fensterläden, so daß wir in
    den Regen sehen konnten. Riesige weiße Äste von
    Blitzen zuckten von Ost nach West über den
    pechschwarzen Himmel und wieder zurück, dann
    wurde alles in Purpur und Weiß getaucht, und der
    ganze Himmel blitzte auf. Donner krachte und grollte,
    und der Regen trommelte an die Fenster. Wir liebten
    uns zur Musik des Unwetters.
    Anice sprang mehrfach aufs Bett und warb um
    Aufmerksamkeit, schließlich ließ sie sich am Fußende
    207
    nieder, wo sie uns den Rücken zuwandte und ins Leere
    starrte, damit ich wußte, wie verletzt sie war.
    Ich lehnte mich hinüber, schnaubte ihr ins Ohr und
    schnappte spielerisch nach ihr, bis sie sich auf den
    Rücken warf, um am Bauch gekitzelt zu werden. Lily
    nannte sie ein hübsches Mädchen und küßte sie trotz
    ihres sudeligen Bartes. Anice lächelte auf Hundeart und
    schlief herzhaft schnarchend ein.
    208
    8
    Am nächsten Morgen wachte ich früh auf und stellte
    fest, daß mein linker Arm unter Lily lag und völlig taub
    war und mein rechtes Bein praktisch um meinen Hals
    gewickelt, damit Anice reichlich Platz hatte. Vor
    fünfzehn Jahren hätte ich im Kopfstand schlafen
    können, die Glieder verknotet wie eine Brezel, und wäre
    wie eine Gazelle aus dem Bett gesprungen. Die Zeiten
    waren vorbei. Inzwischen holte ich mir einen
    Hexenschuß, sobald ich eine Gabel verkehrt hielt.
    Ich manövrierte mich behutsam aus dem Bett und
    hinkte ins Bad, um mir die Zähne zu putzen, bevor Lily
    aufwachte. Anice hoppelte hinter mir her und machte
    Wu-Wu-Geräusche wie eine kleine Dampflok.
    »Okay, okay, okay, okay«, beruhigte ich sie und
    tätschelte ihr den Kopf. »Wir gehen ja schon spazieren.«
    Im Vorbeigehen spähte ich ins Schlafzimmer. Lily
    schlief noch.
    Wir drehten zwei Runden um den Block und eilten
    heim zu den Ingwerkeksen. Lily war aufgewacht und
    hatte sich in meinen weißen Frotteebademantel gehüllt.
    Sie suchte in der Küche nach der Kaffeekanne und kam
    mir entgegen, um mich zu küssen.
    209
    Ich sah ihr beim Kaffeekochen zu. Es schien sie nicht
    zu stören, daß es Kekse zum Frühstück gab. Ich hatte
    von Anfang an viel von ihr gehalten, aber meine
    Achtung stieg in atemberaubendem Tempo immer
    weiter.
    »Geht‹s dir gut heute morgen?« fragte sie und
    versuchte, eine meiner widerspenstigen Haarsträhnen
    am Hinterkopf glatt zu streichen.
    »Großartig!« Es war die Wahrheit. Ein paar steife
    Muskeln und eine leichte Arthritis mochten ein bißchen
    schmerzen, aber es war die Art Schmerz, wie wenn dich
    ein Team Schmetterlinge die ganze Nacht getreten hat.
    »Und selbst?«
    »Ich fühle mich wundervoll!« strahlte sie. »Mir ist, als
    wäre das Gewicht der ganzen Welt von meinen
    Schultern genommen. Jahrelang habe ich mich immer
    anders als alle anderen gefühlt. Es ist unglaublich, daß
    ich nicht eher dahintergekommen bin. Wie konnte ich
    diese Gefühle nur die ganze Zeit ignorieren? Zum
    erstenmal in meinem Leben bin ich imstande, mich
    richtig zu verlieben.«
    Hätte das eine andere gesagt, ich hätte sie sofort vor
    die Tür gesetzt und den Riegel vorgelegt. Offenbar
    meldete sie Ansprüche auf mich an, aber es war mir
    überhaupt nicht unbehaglich. Ich fühlte mich nicht
    210
    vereinnahmt. Es gefiel mir sogar. Um ehrlich zu sein, es
    gefiel mir sehr.
    »Ich kann es gar nicht erwarten, das allen zu
    erzählen!« fuhr sie fort.
    »Oha! Nicht so stürmisch, Lily. Was meinst du damit
    – es allen zu erzählen?«
    »Meinen Freundinnen und Freunden. Meinen Eltern.
    Andrew. Sie werden sich so für mich freuen.«
    »Ich glaube, da täuschst du dich. Ich weiß genau, wie
    du dich fühlst. Aber die anderen werden das nicht
    verstehen.«
    »Nein, nein, das stimmt nicht. Du kennst sie nicht.
    Andrew wird erleichtert sein, weil es nicht seine Schuld
    ist, daß ich ihn nicht liebe. Verstehst du? Er wird

Weitere Kostenlose Bücher