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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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war. Als
    John nicht hinsah, trat sie mir gegen das Schienbein und
    zwinkerte heftig.
    John stemmte die Hände in die Seiten. »Warum hast
    du das nicht gleich gesagt?« Damit tänzelte er einen
    Schalter weiter und begann, das Abflugjournal zu
    überprüfen.
    »Heiliger Strohsack!« knirschte ich durch die Zähne.
    »Warum schnappst du dir nicht gleich einen
    Lautsprecher und posaunst es im ganzen Flughafen aus?
    Und was soll der Blödsinn mit der Scheidung?« Ich
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    stampfte ihr auf die Zehen, um mich für den Tritt ans
    Schienbein zu revanchieren. Tony betrachtete uns mit
    Argwohn. Ich wandte mich ihm zu. »Hallo, Tony. Es
    dauert höchstens noch zwei Minuten.«
    John kam zurückgeschlichen, hielt die Lippen
    unbeweglich und quetschte aus einem Mundwinkel:
    »Bolivien.«
    »Bolivien?« fragte ich verwirrt. »Bolivien.« Ich
    wiederholte es langsam, in der Hoffnung, daß mir
    dadurch ein Gedanke käme.
    »Hab‹ ich doch gesagt«, murmelte er, immer noch
    aus dem Mundwinkel. »Ich wünsch‹ dir, daß es die
    Scheidung leichter macht.«
    Gael zuckte die Achseln. »Sie ist sehr reich, und er
    will den Daumen auf dem Geld behalten. Er hat
    angekündigt, daß er nur in die Scheidung einwilligt,
    wenn sie ihm die Hälfte von ihrem ganzen Besitz
    überschreibt. Einschließlich des Hundes.«
    »Einen halben Hund?« John hob empört die Stimme.
    »Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich dem Kerl
    einen Klumpen Dreck in die Hand drücken und sagen:
    ›Das ist alles, was du jemals von Tara bekommen
    wirst!‹«
    Mir war schleierhaft, wovon er sprach, aber ich
    dankte ihm. Es goß wieder in Strömen, als wir mit Tony
    zum Wagen rannten und hineinsprangen. Anice wedelte
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    erfreut mit ihrem Schwanzstummel und biß mich in die
    Nase. Ich saß da und hielt den Blick auf den Eingang
    gerichtet.
    »Was ist? Worauf wartest du – aufs Christkind?«
    fragte Gael irritiert.
    »Ich will wissen, was er macht, wenn er rauskommt.«
    »Wahrscheinlich nichts anderes als andere Leute –
    zwischen der Sonne und uns stehen und in allen
    Regenbogenfarben leuchten. Was immer er vorhat –
    welchen verdammten Unterschied macht das schon?«
    Sie wurde wie üblich ungehalten, wenn sie länger als
    eine halbe Stunde ohne eine Tasse Kaffee und eine
    Zigarette auskommen mußte.
    »Warum rauchst du nicht eine Zigarette und hältst
    die Klappe?« knurrte ich und rutschte auf dem Sitz
    tiefer, so daß ich gerade noch übers Armaturenbrett
    schauen konnte.
    »Was hast du denn jetzt vor? Du siehst aus wie ein
    Zwerg, der versucht Auto zu fahren. Wenn du dich
    unverdächtig verhalten willst, solltest du dir etwas
    anderes einfallen lassen.«
    Ich wedelte mit der Hand, sie solle still sein. Sie holte
    eine Camel heraus und zündete sie an.
    Eine schwarze Limousine näherte sich dem Gehsteig,
    und Andrew Delacroix schritt darauf zu. Er war nicht
    einfach nur reich, er sah auch danach aus – reich und
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    privilegiert. Er war hochgewachsen und hielt sich
    uniform gerade, obwohl er meines Wissens nie beim
    Militär gewesen war. Der Wagen glitt wichtig davon,
    geräuschlos bis auf das Wischen von Reifen auf nassem
    Beton.
    »Regierungsfahrzeug«, beobachtete Gael durch die
    Wolke blauen Dunstes, die ihren Kopf einhüllte.
    Ich schaute dem Wagen nach und erkannte am
    Nummernschild, daß sie recht hatte. Ich haßte es, wenn
    anderen auffiel, was mir entgangen war. Einen Moment
    lang erwog ich, so zu tun, als sei das ohne Belang, damit
    sie nicht die nächsten fünftausend Ewigkeiten darauf
    herumritt.
    »Du hast recht. Das war mir ganz entgangen. Wie
    gut, daß ich dich bei mir habe«, sagte ich fröhlich, um
    wenigstens den Ruf einer guten Verliererin zu
    bekommen. Gael beäugte mich skeptisch.
    Auf dem Weg zur Stadt befragte mich Tony zu Joes
    Ableben. Ich ersparte ihm die Details und verschwieg
    auch Colette Chateau, die Wohnung im Plaza und die
    Möglichkeit, daß Joe in unsaubere Geschäfte verwickelt
    gewesen war.
    Bei Earthmans Bestattungsinstitut angelangt, nahmen
    Gael und ich auf den unbequemen Stühlen im schlecht
    beleuchteten Warteraum Platz und ließen Tony allein
    mit dem geschlossenen Sarg, der mit weißen
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    Blumenarrangements bedeckt und von brennenden
    Kerzen umgeben war. Der Eigentümer des
    Bestattungsinstituts war ein blasser Mensch. Er
    erinnerte mich ungemein an jene Fischspezies, die so
    lange in Unterwasserhöhlen lebt, daß sie zu blinden
    Albinos mutiert. Sein ganzes Wesen drückte
    würdevollen Ernst aus. Ich hätte

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