Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
Möglichkeit riskieren wollen, dass ein menschlicher Gast die Tür versehentlich entdeckt. Ein einziger Eingang ist leichter zu bewachen.«
»Auch gut«, meinte sie und bückte sich, um seine Decke aufzuheben. »Dann lass deine Freundin ruhig verbrennen.«
Ihre spitzen Bemerkungen gefielen ihm. Sie zankten sich schon wie ein richtiges Paar. Er musste sein Lächeln jedoch schnell wieder unterdrücken, denn sie drehte sich zu ihm um. Diesmal war ihr anklagender Finger völlig ruhig.
»Du hast in meinem Kopf gesprochen.«
»Das ist wahr.«
Ihre Augen verengten sich, als sie die Decke unter ihren Armen feststeckte. »Versuch beim nächsten Mal wenigstens, was Netteres zu sagen als ›Halt die Klappe‹.«
»Das werde ich«, versprach er. »Wann immer du willst.«
Er führte sie auf den großen Wohnraum zu, um sich – und sie – noch mit einem Glas seiner ganz besonderen Vorräte zu stärken, bevor sie zu Bett gingen. Sie würden sich beide besser fühlen, wenn sie beim Erwachen nicht völlig ausgehungert waren.
»Warte, bis du das siehst«, meinte er und freute sich schon auf ihre Reaktion. »Ich glaube, es wird dich beruhigen, dass wir nicht in der viktorianischen Zeit festsitzen.«
Abgesehen von der kuppelförmigen Konstruktion des größten Raumes herrschte hier ein klassisches Frank-Lloyd-Wright-Design vor: Steinböden, schwere Ledercouches und -sessel und sehr viel schlichtes, aber massives Holz. Üppige Zimmerpalmen entschädigten das Auge für die fehlenden Fenster. In dem diskret vom Wohnzimmer abgeschirmten Kühlraum ließ sich der Blutvorrat für ein ganzes Jahr verstauen. Das wahre Glanzstück war jedoch der riesige, superflache Plasmafernseher.
Wie ihre menschlichen Gegenstücke hatten auch Emile und Bastien den Verlockungen des Fernsehens nicht widerstehen können.
Den Geräuschen nach zu urteilen schien Emile vergessen zu haben, den Apparat auszuschalten.
Doch wie sich herausstellte, war das nicht der Fall.
»Ihr kommt gerade richtig«, rief Emile ihnen zu, als sie hereinkamen. »Ich habe hier etwas, das ihr euch ansehen solltet.«
Ohne Hemd, aber mit seinen üblichen verwaschenen Jeans bekleidet, hatte Bastiens Freund sich in der Ecke eines gewaltigen Ledersofas ausgestreckt. Im Licht der nahen Tiffanylampe sah er frisch wie der junge Morgen aus – was Mariann von einem unbedeutenderen Vampir nach Sonnenaufgang wirklich nicht erwartet hätte. Ihn so entspannt und selbstsicher zu sehen, brachte sie auf den Gedanken, dass er Bastien, was Macht anging, vielleicht gar nicht mal so unterlegen war. Vielleicht beugte er sich Bastien nur, weil er es vorzog, seinem Freund die Verantwortung zu überlassen.
Im Gegensatz zu ihm sah Bastien ein bisschen abgespannt aus, als er sich neben ihm auf die Couch fallen ließ. »Bist du sicher, dass das, was du uns zeigen willst, nicht warten kann?«
Emiles Grinsen war regelrecht dämonisch. »Wenn ihr es euch jetzt nicht anseht, verpasst ihr es. Während ihr zwei Turteltäubchen euch nämlich bis zur Besinnungslosigkeit … na ja, ihr wisst schon, was ich meine – und herzlichen Glückwunsch auch –, ist meine Wenigkeit ein fleißiger Junge gewesen. Et voilà .« Er drückte einen Knopf an der Fernbedienung. »Und jetzt will ich die Früchte meiner Arbeit ernten.«
Der Vorspann von Kochen mit Arabella erschien auf dem Fernsehschirm: Arabella, die ihre zahlreichen männlichen Gäste zu Begeisterungsstürmen hinriss; Arabella, die mit sinnlichen Gesten ihre Finger ableckte; Arabella, die mit ihrem wohlgerundeten Hinterteil wackelte, als sie ein leckeres Stück Vermonter Karamelltorte servierte.
Die Erinnerung an ihre Perfidie war mehr, als Mariann ertragen konnte.
»Diesen Mist sehe ich mir nicht an!«, sagte sie und wandte sich ab, um hinauszugehen.
Aber Emile ergriff ihr Handgelenk, bevor sie einen Schritt weit kam. »Vertrau mir! Die Show wird dir gefallen. Sie ist etwas ganz Besonderes und sehr ›live‹.«
»Was hast du ausgeheckt?«, wollte Bastien wissen, nachdem Mariann sich hatte überreden lassen, sich zwischen die beiden auf die Couch zu setzen. So groß sie auch war, schafften die Männer es doch irgendwie, mit ihren Knien die ihren zu berühren.
»Ausgeheckt? Nun ja …« Emile legte einen Finger an die Wange. »Könnte sein, dass ich der göttlichen Arabella einen Besuch abgestattet habe, nachdem ich mich beim Straßenverkehrsamt eingehackt hatte, um über ihre Autonummer ihre Adresse rauszukriegen. Könnte auch sein, dass ich sie
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