Heißes Eis
hat sich inzwischen so weit geleert, dass der Mittelgang frei ist.
«Komm, ich denke, jetzt können wir auch hinaus!»
Ich gehe vorne weg und Emma folgt mir. Kaum sind wir draußen, packt mich Emma am Arm.
«Sanne, du musst mir helfen! Ich traue mich nicht, ihn anzusprechen.»
Oh nein, ich spiele jetzt nicht die Kupplerin!
«Also Emma, ich wollte heute eigentlich einen männerfreien Tag verbringen! Außerdem weißt du doch rein gar nichts von deinem Traummann! Vielleicht ist er schwul oder verheiratet!»
«Zumindest hatte er keine Begleitung dabei! Und um ihn kennenzulernen, muss ich ja erst einmal mit ihm sprechen. Bitte Sanne! Hilf mir dabei! Ich bin so aufgeregt, dass ich mich sicherlich blamieren werde!»
Ich atme tief durch.
«Na gut, wo ist er denn?»
«Er ist hier entlang gegangen!»
Emma weist auf einen Weg, der zur Kirche führt. Auch die Reisegruppe ist in dieser Richtung verschwunden und so schließen auch wir uns an. Vor dem riesenhaften Tor der Sagrada Famlília hat sich bereits eine stattliche Menschenschlange gebildet, die auf Einlass wartet.
Ich kann es gar nicht fassen, wie Menschen ein so gewaltig großes Bauwerk erschaffen konnten. Unsere Gruppe hat sich inzwischen vor dem Eingang um den Reiseleiter versammelt. Er sagt etwas von einer Uhrzeit, zu der wir uns wieder am Bus treffen. Der Eintritt ist bereits bezahlt und so wird unsere Reisegruppe durch ein Tor ins Innere geschleust. Riesenhafte Säulen fächern sich dort nach oben hin auf, aber sie erinnern mich eher an Bäume mit Ästen, denn sie sind nach oben hin verzweigt und haben Löcher. Später erfahre ich, dass sie tatsächlich einem Wald nachempfunden wurden. Der Blick zur Decke lässt einen Himmel erahnen. Ich stehe mitten in dem steinernen Wald und lausche den Erklärungen unseres Reiseleiters:
« Die Sagrada Família ist das Wahrzeichen Barcelonas - eine Kathedrale, wie man sie so in Bauart und Baustil kein zweites mal findet. Der Bau wurde 1882 begonnen und soll nach jüngsten Prognosen 2026 abgeschlossen sein. Im vollendeten Zustand soll die Sagrada Família insgesamt 18 Türme besitzen. Zwölf davon werden den Aposteln gewidmet. Je vier von ihnen überragen mit einer Höhe zwischen 90 bis 112 Metern eine der drei Fassaden...»
Emma zupft mich auf ein mal erregt am Ärmel.
«Da ist er!», haucht sie mir ins Ohr und deutet auf einen dunkelblonden Haarschopf, der sich gerade aus der Menschenansammlung über den Mittelgang bewegt. Ich seufze auf: Kein Zweifel, es ist Ben!
Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen, während mich Emma in Bens Richtung davon zieht. Das darf doch alles einfach nicht wahr sein! Ich sehe wieder auf und gehe betäubt von der Überraschung einen Schritt mit Emma mit, als sich Ben in diesem Augenblick umdreht und sich unsere Blicke treffen. Das Erstaunen in seinen Augen weicht einem undurchsichtigen Ausdruck. Emma versucht weiter, mich in seine Richtung zu bewegen. Da reiße ich mich von ihr los.
«Emma, hör auf damit! Der Mann deiner Träume ist Ben, der Verlobte meiner besten Freundin! Und ich werde einen Teufel tun, um dich mit ihm zu verkuppeln!», zische ich sie wütend an.
Doch als ich den zu tiefst gekränkten Ausdruck in ihrem Gesicht bemerke, tut es mir sofort wieder Leid.
«Entschuldige Emma, ich wollte dich nicht kränken! Das konntest du ja alles gar nicht wissen!»
So, als wäre nie etwas zwischen uns geschehen, steht Ben plötzlich neben uns und Emma wirkt, als würde sie jeden Augenblick in Ohnmacht fallen.
«Hi, Sanne! Ich wusste gar nicht, dass du auch auf den Trip nach Barcelona mitkommst. Tine hatte ihn für uns reserviert und ich wollte ihn nicht verfallen lassen!»
«Tja, mir ging es ähnlich. Tom meinte, ich solle doch mit dir gemeinsam nach Barcelona fahren, was wir jetzt ja, ohne es zu wissen, auch getan haben.»
Ich sende ihm einen vielsagenden Blick aber er sieht an mir vorbei und betrachtet Emma.
«Und wer ist deine Begleitung mit den Feuerhaaren?»
Ich verspüre den Drang, Emma ins Gesicht zu schlagen, als ich sehe, wie sie Ben anschmachtet. Da Emma kein Wort hervorbringt, antworte ich für sie.
«Das ist Emma!»
«Aha, sehr erfreut, rote Emma!», scherzt Ben und ich kann nicht verhindern, dass ihm meine Augen kleine missmutige Blitze entgegenschleudern.
Die muss es doch nun wirklich nicht sein!
Schadenfroh stelle ich jedoch fest, dass Emma wie auf Befehl so rot anläuft, dass ihre Sommersprossen unter der kräftigen Gesichtsfarbe verblassen.
«Habt ihr
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