Heißes Geld
seiner nunmehrigen Komplizin und einzigen Mitwisserin vor, auf den Urlaub in D. in diesem Jahr zu verzichten und dafür ›unmittelbar nach Eintritt des angestrebten Ereignisses‹ zu heiraten, um dann ›den Rest unseres Lebens Seite an Seite gemeinsam zu verbringen‹.
Er las die Zeilen durch, fand sie nicht zu kühl und auch nicht zu gleißnerisch. Mit sich zufrieden, klebte Nareike den Umschlag zu, frankierte ihn und steckte ihn in seine Brieftasche. Dann ging er nach unten und sagte zu seiner Direktionsassistentin: »Wir können gleich losfahren, Sabine.«
Über die Sitzordnung im schwarzen Mercedes gab es keine Debatte, denn Nareikes angestammter Platz war vorne rechts neben dem Fahrer. Sabine stieg in den Fond, und ihr Chef war froh, nicht neben ihr zu sitzen, denn wenn sie sich zufällig an den Schultern berührten oder er den Duft ihrer Haut röche, angereichert mit ›vent vert‹, drohten seine Hände sich selbständig zu machen. Er war sich nicht mehr ganz sicher, ob sich seine Selbstbeherrschung gegen diese vegetativen Regungen durchsetzen könnte.
»Wo sollen wir Sie absetzen, Sabine?« fragte er, als der Wagen von der Autobahn Duisburg in die Etappenstadt einbog, die ihre ungeliebte Namensgeberin, die Dussel, schlichtweg unter die Erde verbannt hatte.
»Sie fahren ja zum Parkhotel – ich steige dort aus, ich habe dann nur noch ein paar Schritte um die Ecke.«
»Wir werden Sie um die Ecke bringen«, alberte Nareike. Er drehte sich nach ihr um. »Kein Heimweh nach Düsseldorf?«
»Auszuhalten«, antwortete Sabine. »Die wenigsten Fabrikschornsteine, die dichteste Bevölkerung, das schlechteste Trinkwasser und die höchsten Grundstückspreise Deutschlands – der Boden ist hier so teuer, daß die Toten außerhalb des Stadtgebietes beigesetzt werden müssen.«
»Wie Rosemarie Nitribit, die deutsche Wundernutte.«
Der Fahrer lachte, und der Manager entschuldigte sich bei Sabine.
»So zimperlich bin ich nun wirklich nicht, Herr Nareike«, entgegnete sie burschikos.
Sie hatten das Zentrum der Stadt erreicht, die man als den Schreibtisch der Ruhr, ihren Salon und ihren Geldschrank titulierte. Schlank und kühn schälten sich die Konturen des Thyssen-Hochhauses aus dem Silberdunst. Sanft fiel sein Schatten auf den Hofgarten, eine paradiesische Oase inmitten des steinernen Meeres. Sie passierten in der Altstadt das Denkmal, das sich der Lokalheld Jan Weilern einst selbst gesetzt hatte, ein strammer Herr auf einem stämmigen Gaul, der sich mehr mit Amouren als Armeen befasst hatte.
Der Fahrer hielt. Sabine bedankte sich, stieg aus und mischte sich flinkfüßig unter die Passanten. Der Mercedes wurde vom Verkehrsstrom eingekeilt. »Ich gehe zu Fuß«, sagte Nareike zu seinem Chauffeur. »Holen Sie mich bitte morgen um neun im Parkhotel ab.«
Ein Livrierter riß die Türe auf – für den Repräsentanten von Müller & Sohn war hier immer ein Apartment reserviert. Gelegentlich, wenn ihm die Decke auf den Kopf zu fallen drohte, hatte sich Nareike mit ein paar Flaschen Cognac über ein ganzes Wochenende hier eingeigelt und nichts weiter getan als getrunken, und dabei mit eingeschläfertem Bewußtsein und wachen Sinnen bei der Locarneser Privatbank seine Million kassiert, um dann am Montag morgen mit Kopfschmerzen zu erwachen – ohne Dollars.
Schluckesanft, mit dem er verabredet war, erschien punkt 15 Uhr. Der Mitarbeiter einer seriösen Auskunftei kannte seinen Geschäftspartner gut genug, um auf übertriebene Förmlichkeit zu verzichten. Müller & Sohn nahmen seine Dienste gelegentlich in Anspruch. Alle Aufträge wurden über den Bevollmächtigten selbst abgewickelt, und vor einiger Zeit hatte Nareike, gutverpackt zwischen Ermittlungen über Zahlungsfähigkeit, Kreditwürdigkeit und Konkurrenzabsichten eine kleine Extraermittlung eingeschoben.
Schluckesanft spuckte seine Informationen aus wie ein Spielautomat den Hauptgewinn. Sein Auftraggeber hörte zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen. »Dann hätten wir soweit alles«, sagte er am Schluss, »bis auf meine Recherchen über Fräulein Littmann.«
Nareike zündete sich ohne Eile eine Zigarette an. Seine Miene wirkte eher blasiert als interessiert.
»Alle Angaben, die sie in ihrem Lebenslauf gemacht hat, stimmen«, begann der Detektiv. »Der Vater war Eisenbahner, mittlere Beamtenlaufbahn. Die Familie hatte sich in Breslau ein kleines Reihenhaus zusammengespart. Die Mutter, jetzt Witwe, lebt in Castrop-Rauxel. Es geht ihr nicht sehr gut,
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