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Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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los?«, fragte Nareike. »Du bist mehr Sex als zehn andere zusammen und benimmst dich wie eine alte Jungfer.«
    Sabine schwieg. Sie warf mit einem unwilligen Ruck ihre blonden Strähnen aus dem Gesicht.
    »Du hast Angst vor Männern, nicht?« fragte er weiter.
    »Angst gerade nicht«, entgegnete Sabine, und blies den Rauch aus. »Sagen wir einmal: Mehr Verachtung als Angst.«
    »Komplexe?« drängte Nareike.
    Sabine schüttelte den Kopf.
    »Du bist wohl mal an den Falschen geraten?« fuhr er fort.
    »Wie man's nimmt«, entgegnete das Mädchen kalt. »Der erste war ein Rotarmist. Ich war zwölf und wohl noch zu jung dafür. Er stank nach Schnaps und Schweiß.« Sie sprach wie in Trance, aber jetzt wurde ihre Stimme schrill: »Er war wohl nicht der Mann meiner Wahl.« Ihre Augen wirkten wie von einer Eisschicht überzogen. »Und es war auch nicht ganz freiwillig«, schrie sie hysterisch: »Weder für mich, noch für meine Mutter neben mir, an der sich eine ganze Horde Russen verging.«
    »Diese verdammten Schweine«, erwiderte Nareike.
    »Das stimmt auch nur zur Hälfte«, entgegnete das Mädchen. »Hinterher streichelte mich der Russe zärtlich und gab mir Schokolade. Als seine Kameraden sich auf mich stürzen wollten, trieb er sie aus dem Keller und wartete so lange, bis ein Offizier seine Meute wieder eingesammelt hatte.«
    »Und du?«
    »Ich aß die Schokolade und kotzte sie wieder heraus«, antwortete Sabine. »Seitdem schenke ich dir im allgemeinen die Männer, auch wenn sie sich von ihrer Schokoladenseite zeigen.«
    »Breslau?«
    »Frühling Neunzehnhundertfünfundvierzig«, antwortete Sabine. »Seitdem ist mir das Heimweh vergällt.«
    »Kunststück«, entgegnete Nareike, nach einer Weile stellte er fest: »Es gibt aber nicht nur betrunkene Russen auf der Welt, sondern auch ganz passable Männer.«
    »Solche wie dich, zum Beispiel«, ironisierte Sabine. »Wenn du es ertragen kannst«, spottete sie weiter. »So wie du sähe der Mann meiner Träume ganz bestimmt nicht aus.«
    »Verständlich«, erwiderte er.
    »Entschuldige«, sagte sie. »Die Morgenstunde ist nicht meine beste Zeit, vor allem nicht nach einer Sauferei.« Sie betrachtete anzüglich Nareikes zerknittertes graues Gesicht: »Deine beste ist sie übrigens auch nicht.«
    »Natürlich«, entgegnete er: »Ich bin ja auch schon 59«, gestand er: »Aber der Mensch ist so alt, wie er sich anfühlt.«
    »Knochig«, entgegnete Sabine. »Aber du wärst mir trotz deiner Jahre noch lieber als der junge Müller.« Sie zündete sich eine Zigarette an, rauchte zuerst gierig, und als sie sich beruhigt hatte, affektiert: »Dummerweise ist er ziemlich reich.«
    »Und Geld ist alles?« steuerte er das Gespräch in die gewünschte Richtung.
    »Nein«, antwortete Sabine nach kurzem Nachdenken. »Wirklich nicht alles, aber viel.«
    Er protestete ihr zu: »Vom Bratenduft wird man nicht satt.«
    »Ja«, bestätigte Sabine, »und die Erinnerung macht auch nicht wohlhabend.«
    In diesem Moment klingelte das Telefon zum ersten Mal. Nareike nahm den Hörer nicht ab. Als es Sabine tun wollte, gab er ihr ein Zeichen, es zu unterlassen. Gerade an Tagen, an denen nicht gearbeitet wurde, wie am heutigen Sonnabend, pflegte ihn Hermann Müller mit Belanglosigkeiten zu verfolgen, und solche hätten auch noch Zeit bis zum nächsten Montag. Mit anderen Anrufern brauchte der Wohnungsinhaber nicht zu rechnen – er hatte keine Verwandten, Bekannten, Freunde oder Konkubinen. Und auch seine Pseudo-Witwe war auf äußerste Vorsicht dressiert.
    »Ich habe dir dieses Erlebnis erzählt, damit du Bescheid weißt«, sagte Sabine, schob das Glas beiseite, stand auf und baute sich vor Nareike auf, aggressiv, verführt und doch schon wieder unnahbar.
    »Den Spaß nahm mir ein Russe«, stellte sie fest. »Und wenn ich mich schon mit einem Mann einlassen muß, dessen Augen dann letztlich aussehen wie die eines Eroberers aus der Steppe, dann bestehe ich im voraus auf Schadenersatz.« Sie lächelte. – »Zwar wurde ich mit keinem goldenen Löffel im Mund geboren, aber ich möchte wenigstens nicht ärmer sterben, als ich zur Welt gekommen bin.«
    »Durchaus verständlich«, antwortete er.
    Das Telefon klingelte wieder. Man brauchte nicht in Nareikes Haut zu stecken, um bei dem ständigen Gebimmel nervös zu werden, aber nichts wäre zu dieser Stunde lästiger als ein nichtiges Gespräch mit einem Unternehmer, den er groß gemacht hatte.
    Er konnte nicht annehmen, daß seine einzige Mitwisserin

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