Heißes Geld
Er hatte seine Miss-Wahl längst getroffen und hörte die Zängerin am Nebentisch: »Jetzt heizt sie wieder allen ein und stellt sie dann kalt.«
Sabine tanzte jetzt mit dem jungen Müller; sie wollte zum nächsten Partner wechseln, aber der Junior hielt sie fest. Er war angetrunken, sie leicht beschwipst, aber sie hielt ihren Partner deutlich auf Distanz, was alle außer ihm bemerkten.
Neben Nareike saß Dr. Schneider, der Syndikus, steif und ein wenig unglücklich ob der lauten Ausgelassenheit ringsum. Er wartete, daß die Musik aussetzte und sagte dann in die kurze Pause hinein: »Entschuldigen Sie, Herr Nareike, es ist hier nicht der richtige Ort, aber ich konnte Sie heute Nachmittag nicht mehr erreichen. Es handelt sich um unseren früheren Personalchef.« Er sprach hastig weiter, als wollte er einer Unterbrechung zuvorkommen: »Das Landgericht Essen I hat soeben die Haftbeschwerde Brills, beziehungsweise Pribkes verworfen. Ich würde gerne von Ihnen hören, was weiter veranlasst werden soll?«
»Nichts«, antwortete Nareike.
»Aber sie haben mich doch beauftragt …«
»Bleiben Sie auf dem Teppich, Doktor«, erwiderte der Bevollmächtigte des Hauses. »Ich habe Sie beauftragt, einen Verteidiger für unseren früheren Personalchef zu suchen und zu bezahlen, und der Frau des Verhafteten laufend eine Unterstützung zukommen zu lassen, die sich steuerlich abbuchen läßt und von der sie leben kann.«
»Das ist ja alles geschehen«, bestätigte Schneider. »Aber nun sollten wir uns über die weitere Taktik …«
»Seien Sie doch nicht so begriffsstutzig, Doktor«, versetzte Nareike. »Ich möchte, daß meine Zusicherungen eingehalten werden, und das wurden sie. Überlassen Sie alles andere dem Verteidiger, den wir bestellt haben, und halten Sie sich sonst aus dem Fall heraus.« Er winkte den Ober herbei. Eine Flasche Wein mehr verginge sich nicht an seinen Zukunftsplänen, und ein nüchterner Geschäftsführer an diesem Abend fiele nur unangenehm auf: »Oder wollen Sie«, wandte er sich wieder seinem Hausjuristen zu, »daß Müller & Sohn in die Nähe dieser Schweinereien von Bergen-Belsen gerückt werden?«
»Natürlich nicht, Herr Nareike.«
»Dann wäre ja wohl alles klar.«
»Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf«, stellte Dr. Schneider zu seiner Überraschung fest, »Sie haben wirklich sehr viel gesunden Menschenverstand, Herr Nareike.«
»Meinen Sie?« spottete er und zeigte auf einmal doch einiges Interesse für Brills Zukunft: »Wie taxieren Sie denn seine Chancen?« fragte er.
»Durchwachsen«, erwiderte der Jurist. »Wenn ich es vereinfachen darf: Das Urteil hängt davon ab, ob das Gericht in Brill einen selbständigen Täter sieht oder nur einen Tatgehilfen. Im ersten Fall wäre er reif wegen Mords, im zweiten käme er wegen Beihilfe zum Mord mit einer zeitlichen Zuchthausstrafe davon, die möglicherweise unter eine der inzwischen erlassenen Amnestien fiele.«
»Das heißt also, daß alles offen ist?«
»Zwischen Freispruch und Lebenslänglich«, erwiderte der Syndikus. Nareike nickte und kippte das fast volle Glas. Lebenslänglich hatte für ihn noch immer einen Beigeschmack von Hannelore. Aber er würde Sabine gewinnen und seine Frau loswerden. Das eine umgehend und das andere unmittelbar nach seiner amtlichen Todeserklärung. Bis dahin wollte er noch abwarten, damit sie mögliche Rückfragen des Nachlassgerichtes beantworten könnte.
Der Gedanke an die endgültige Lösung war ihm unbehaglich, aber es gab keinen anderen Weg, als sie aus dem Weg zu räumen, so umsichtig wie umgehend, Ende September. Einen Moment tat Hannelore ihm leid, aber wenn er noch etwas von seinem Leben haben wollte, mußte er nach der Devise handeln: Nach mir komm' ich.
»Wer soll das bezahlen?« spielte die Band, und alle grölten mit, wiewohl sie genau wußten, daß die Firma für die Zeche aufkommen würde. Am Montag ging die erste Hälfte der Belegschaft geschlossen in Urlaub, 14 Tage später würde die zweite folgen. Der Betrieb lief inzwischen dann mit halber Kraft; auf eine gänzliche Schließung wollte der alte Müller sich nicht einlassen.
»Und du, Werner, machst wieder deine Bergwanderungen?« fragte er Nareike.
»Wie immer.«
»Und wieder keine feste Adresse?«
»Wie immer«, wiederholte sein Geschäftsführer. »Das weißt du doch, Hermann. Wir sind eine Gruppe und wissen nie, wie weit wir kommen. Das hängt vom Wetter ab und auch davon, in welcher Form die Teilnehmer sind.« Er unterbrach
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