Heißes Geld
besonderes, bis auf eine Meldung am Schluß:
»In der Schweiz hat eine Gruppe von Politikern eine Initiative in Gang gesetzt, die das Ziel hat, die Banken künftig stärker zu kontrollieren. Dabei sollen insbesondere auf so genannte Nummernkonten verbuchte, anonyme Einzahlungen erschwert und die Geldgeber besser überwacht werden, um dem Missbrauch einen Riegel vorzuschieben. Die Initianten fordern, auch die Konten von Inhabern zu durchleuchten, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verschollen sind. Das Vermögen dieses Personenkreises wird inoffiziell auf 50 bis 100 Millionen Schweizer Franken geschätzt, kann aber noch höher sein.«
Nareike fand den Tag nicht mehr ganz so strahlend, obwohl er die Meldung für baren Unsinn hielt. Die Eidgenossen würden nie am Bankgeheimnis rühren, auch wenn ab und zu Störenfriede und Theoretiker versuchten, an der Moralität des Geldverkehrs zu rütteln. Es war nicht mehr als eine Augensalbe für Blinde und eine Hörhilfe für Taube. Solche Initiativen laufen meistens ins Leere, und wenn, dauert es Jahre, bis sich etwas tut. Er aber würde am nächsten Donnerstag seine Dollar-Million bergen und sein Nummernkonto löschen. Freilich war es unangenehm, daß ausgerechnet jetzt die Diskussion wieder aufgelebt war. Peinlich, aber auch nicht mehr.
Die Schweiz, ein Land ohne Bodenschätze, hat es verstanden, sich einen einzigartigen Rohstoff zu erschließen: Geld, Mammon, Kapital. Ein Strom aus allen konvertierbaren Währungen der Welt wurde hier von redlicher Habgier verwaltet, und die Bankiers, die Gnome von Zürich, blieben immer die Gralshüter der Diskretion. Alle Sünden wurden vergeben, nur nicht die wider das Bankgeheimnis, und so könnten es Scheich und Schah, Revolutionäre und Reaktionäre, Nazis und Juden weiternutzen, und für die Hinterlegung brauchten die einen keinen Persilschein und die anderen keinen Ariernachweis. Willkommen wären sie alle, die Reichen wie die Schrägen. Geld fand trotz allen Überfremdungsgeredes hier immer ein Asyl. Wenn irgendwo im Niemandsland obskure Geschäfte abgewickelt wurden, verdienten Helvetias Gnome auch weiterhin ein Strumpfgeld, häufig, nicht immer, moralisch zu Recht, denn schließlich nannten die Bürger das landesübliche Zahlungsmittel zärtlich ›Fränkli‹. Wer würde schon ›Märkli‹ oder ›Dollarli‹ oder gar ›Pfündli‹ sagen?
Nareikes Bewunderung für das Nachbarland machte ihn zu einem Neidgenossen, zu einem dankbaren, denn sein Vermögen war in der Eidgenossenschaft gehütet worden, als gehörte es ihr. Selbst wenn es einem Verfolger gelingen würde, seine Spur bis zur Locarneser Privatbank zu verfolgen, käme er nicht an das heiße Geld heran. Nur wer das Chiffrewort 333 handschriftlich in Buchstaben ›Dreihundertdreiunddreißig‹ an Stelle seines Namens auf die Zahlungsanweisung zu schreiben vermöchte, könnte sich bedienen. 333, große Keilerei, Alexander-Schlacht bei Issos. Vorsorglich hatte der Inhaber des Nummernkontos als Linsenbusch eine Zahl gewählt, an die er sich, was auch geschähe, auch als Nareike immer erinnern würde, davon abgesehen, daß er die Kennziffer Nacht für Nacht memoriert hatte, 17 karge Jahre lang.
Der Fahrer bog zum Werksgelände ein, Nareike nickte ihm zu und ging sofort zu Hermann Müller, mit dem er bis Mittag unter vier Augen konferierte. Sabine war noch nicht da, als er sein Büro betrat, dafür trieben sich auffallend viele Mitarbeiterinnen auf dem Gang der Direktionsetage herum.
Kurz nach 13 Uhr verbreitete sich die Nachricht wie mit Buschtrommeln: »Sie kommt.«
Die Direktionsassistentin begrüßte den Portier lächelnd, der, wie bei allen anderen, ihre Ankunftszeit notierte. Die Blondine wirkte nicht unsicher, aber ihr Selbstbewußtsein war auch nicht gestärkt von den 3.000 Mark in Hunderterscheinen, die sie in ihrer Handtasche bei sich trug. Verärgert, überhaupt auf Nareikes Angebot hereingefallen zu sein, haderte sie noch mehr mit sich, nicht den ganzen Betrag mitgenommen zu haben, denn, wenn sie schon ihre Geldgier nicht beherrschen könnte, müßte sie wenigstens zum Höchstgewinn führen. Aber vielleicht läge, was Nareike anbelangte, der Gewinn doch noch höher als bei 7.500 Mark.
Sabine wußte es nicht. Sie war für Nareike und sie war gegen ihn. Sie war für das Geld, aber sie war dagegen, daß sie sich verkaufte. Sie sah eine einmalige Chance, nach oben zu kommen, aber sie fürchtete zugleich, in die Falle ihres Lebens zu laufen.
Unvermittelt
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