Heißes Geld
verließ die Kanzlei mit der Genugtuung, nichts überstürzt und nichts unterlassen und sich auf jede Version ihrer Zukunft eingestellt zu haben – auf die schönste wie auf die abscheulichste.
Nareike hatte die Geschäftsverhandlung in Düsseldorf schon vor dem Sommerfest für den frühen Montagmorgen terminiert. Er war bereits am Vorabend in die Stadt gekommen, um Hannelores Sterbezimmer reservieren zu lassen. Von einer Telefonzelle aus hatte er München angeläutet und sich mit der Zimmerreservation des Hotels ›Regina‹ verbinden lassen.
»Hier Archibald Graf Schenk«, meldete er sich und schaffte es, leicht nasal zu sprechen, bewußt übertreibend: Für die Ermittlungen, die hinterher angestellt würden, sollte es so aussehen, als hätte sich ein Hochstapler, Heiratsschwindler oder zumindest ein Angeber mit falschem Grafentitel des Geldes wegen an eine alternde Frau herangemacht: »Ich, äh – hätte gerne ein besonders schickes Apartment für eine befreundete Dame. Salon mit Bar, Schlafzimmer und so weiter. Sie haben doch so was?«
»Jawohl, Herr Graf«, antwortete der Hotelbedienstete.
»Und zwar ab Mittwoch kommender Woche für vier oder fünf Tage, mit Verlängerungsoption. Ist das zu machen?«
»Bereits notiert, Herr Graf.«
»Gut, dann halten Sie bitte fest: Hannelore Linsenbusch …«
Als Nareike zum ersten Mal seit Jahren seinen echten Namen laut nannte, erschrak er, sprach aber gleich weiter: »Schicken Sie der guten Ordnung halber der Dame eine Bestätigung der Reservierung. Den Namen haben Sie ja schon – Adresse: Hartmannsberg, Post Endorf, Haus ›Alpenblick‹.« Er wartete, bis der Mann seine Angaben wiederholt hatte. »Mit wem habe ich gesprochen?« fragte er dann.
»Mit Herrn Schmitz«, antwortete der Hotelbedienstete. »Die Bestätigung geht heute noch hinaus, Herr Graf.«
Nareike trat aus der Zelle. Der erste Schritt war getan, und am Mittwoch Abend, nach Eintritt der Dunkelheit würde der zweite und letzte folgen, und bis man die Lebensmüde entdecken würde, hätte er längst die schweizerische Grenze hinter sich gelassen. Es war nicht wichtig, aber doch beruhigend. Wenn er dann nach vier Wochen aus dem Urlaub zurückkehrte, wären die Selbstmordermittlungen längst abgeschlossen und Hannelore Linsenbusch für immer aus der Kartei der Lebenden gestrichen. Für die Polizei wäre es ein alltäglicher Vorgang, daß eine Frau im Klimakterium an einem jungen Taugenichts kaputtgegangen war.
Nareike ging zum erfreulicheren Teil seiner Aktion über, zu Sabine: Sie wollte sich heute Mittag entscheiden, ob sie mit ihm in Urlaub führe, aber er war sich ziemlich sicher, daß er es schaffen würde, und mehr als vier Wochen brauchte ein reicher Routinier nicht, um eine unbemittelte Unerfahrene ganz an sich zu binden. Sabine hatte die Hälfte der ihr offerierten Geldscheine mit deutlich schlechtem Gewissen an sich genommen, und das hieß, daß sie an dem ausgelegten Köder festklebte.
Nareike ließ sich eine zusätzliche Sicherheit einfallen: Er brachte am nächsten Morgen die Besprechung in Rekordzeit hinter sich. Danach fuhr er mit dem Taxi zum ›Autohaus Becker‹. Er kaufte aus dem Schaufenster heraus ein weißes ›Porsche-Cabriolet‹, mit schwarzem Verdeck und hellbeigen Lederpolstern. Er zahlte den Wagen bar und unter der Maßgabe, daß er sofort in Essen zugelassen würde, und zwar heute noch.
Nareike fuhr zum Parkhotel zurück, stieg in seinen Dienstwagen um, nahm wie immer vorne neben dem Fahrer Platz, schaltete das Radio ein und lehnte sich bequem zurück. »Was für ein Tag«, sagte er.
Der Himmel war wolkenlos blau, schon früh am Morgen kletterten die Quecksilbersäulen in den Thermometern hoch, und die Menschen suchten den Schatten auf. Die Badeanstalten waren überfüllt, und die Biergärten machten schon am Vormittag mobil. Bei Müller & Sohn beneidete die zweite Urlaubsschicht die Kollegen, von denen die meisten bei diesem Kaiserwetter in langer Karawane nach Süden rollten, um das prächtige Ferienwetter. Die Belegschaft arbeitete nur mit halber Kraft, doch mit doppelter Spannung: Der Zusammenprall beim Sommerfest zwischen der Direktionsassistentin und dem Juniorchef würde ein Nachspiel haben. Aber dann sprach sich herum, daß der Geschäftsführer in Düsseldorf sei und Sabine Littmann erst mittags ihren Dienst anträte.
Nareike döste und merkte, daß er die Zehn-Uhr-Nachrichten zur Hälfte verschlafen hatte. Er stellte das Autoradio lauter. Nichts
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