Heißes Geld
diesen Namen schon in der Nazizeit verschafft und in den letzten Kriegswochen die Wohnung angemietet. Niemand wußte, wer sie war, außer vielleicht ihrem Mann.«
»Sieht so aus«, entgegnete der Amerikaner.
»Und dann kommt der Clou«, fuhr Barbara fort: »Als die erste bundesweite Amnestie proklamiert wurde, erstattete sie Selbstanzeige wegen falscher Namensführung. Sie wies darauf hin, daß ihr als Tochter eines Reichsleiters und Frau eines Wehrwirtschaftsführers das Internierungslager gedroht – und daß sie den falschen Ausweis gewissermaßen amtlich vom Vorgängerstaat der Bundesrepublik erhalten hätte. Natürlich: Sohn gefallen, Mann vermisst, Flüchtling – der übliche Druck auf die Tränendrüsen.«
»Und sie wurde amnestiert?«
»Das geht formal in Ordnung«, antwortete Barbara. »Aber daß der Richter diesmal keinen Hinweis an die Polizei oder den Verfassungsschutz gegeben hat, ist unverantwortlich.«
»Dann ist auch klar, warum die alliierte Fahndung nach Linsenbusch damals ins Leere gelaufen ist.«
»Ja. Berg bei Dorfen dürfte seine Anlaufstelle gewesen sein«, entgegnete Barbara. »Jetzt werden wir ihn finden.« Sie betrachtete Henry und fragte: »Warum lächelst du?«
»Jeanne d'Arc als Kraut«, erwiderte er. »Im übrigen gratuliere ich mir zu dir.«
»Wart's ab«, versetzte sie.
Sie hatten das Hotel ›Königshof‹ erreicht: »Übrigens hat Hannelore Linsenbusch beim Bürovorsteher angedeutet, daß sie wieder heiraten will«, sagte Barbara.
»Und vielleicht sogar einen Toten«, erwiderte Henry und sah, daß es nunmehr ihm gelungen war, Babs zu verblüffen.
Sie fuhren in ihre Apartments hoch, machten sich frisch. Barbara hatte zwei nebeneinander liegende Räume geordert. Die Verbindungstür stand offen.
»Stört dich das, Henry?« fragte sie.
»Wenn's dir nichts ausmacht«, erwiderte er etwas steif.
»Wir müssen uns akklimatisieren«, erwiderte sie lachend.
»Und wenn ich deine Miene richtig deute, gibt es für dich wohl kein größeres Hindernis als eine offene Tür.«
»Balg.«
»Du hast dich verändert, Onkel Candy: Früher, als du mich noch mit Schokolade gefüttert hast, bist du auf alles geflogen, was sich bewegte. Und ich war eifersüchtig«, fuhr Barbara lachend fort: »Ich glaube, ich habe nur aus Kummer soviel Schokolade gegessen.«
»Stell deine Naschsucht nicht untern Scheffel«, paßte er sich ihrem Ton an.
»Inzwischen habe ich mir die Süßigkeiten abgewöhnt.«
»Und ich mir die Gelegenheiten«, antwortete Henry.
Sie gingen in den Speiseraum. »Wir sind ganz schön heruntergekommen, was?« sagte Barbara mit ihrem hellen Lachen.
Sie fanden einen Fensterplatz, und der Ober bat sie, rasch zu bestellen, da die warme Küche gleich schließen würde. Das Restaurant im ersten Stock hing wie ein Balkon über dem Stachus, der Europas belebtester Verkehrspunkt sein soll, und sie verfolgten, wie sich München sichtbar langsam zur Ruhe begab, in Raten einschlief, um immer wieder kurz zu erwachen.
»Du bist sicher, daß der Nachlaßrichter von Rosenheim bei deinem Auftritt keinen Verdacht geschöpft hat?«
»Darauf kannst du dich verlassen. Er ist arglos wie ein gehörnter Ehemann.«
»Weiß er nichts von der Selbstanzeige?« fragte der Anwalt.
»Nein«, entgegnete Barbara. »Und wir kämen doch wohl nicht weiter, wenn wir schlafende Hunde vorzeitig weckten.«
»Ich kenne mich mit dem deutschen Recht nicht so gut aus«, fuhr Feller fort. »Aber ist denn ein Richter nicht verpflichtet, von sich aus Ermittlungen anzustellen?«
»Eine Ermessensfrage«, entgegnete Barbara. »Und das heißt, daß es von seinem Fleiß, seiner Vertrauensseligkeit, seiner Routine und von seinem guten oder bösen Willen abhängt. Möglich ist alles. Richter sind ja unabhängig.«
Es war für Henry unschwer, herauszuhören, daß seine Helferin mit den Robenträgern ihre Probleme hatte: »Wer während des Dritten Reiches als Richter oder Staatsanwalt tätig gewesen war, ist für mich angeschlagen«, fuhr sie fort. »Im besten Fall bewerte ich einen solchen Juristen als unpolitisch.« Sie lächelte. »Im zweitbesten gibt er sich unpolitisch und hält sich aus allem heraus.«
»Und im drittbesten?« fragte Henry.
»Du meinst im schlechtesten Fall: Da ist er heute noch Nazi und hilft seinen Gesinnungsfreunden, indem er nichts gegen sie unternimmt.«
»Jetzt schießt du aber übers Ziel hinaus, Babs.«
»Keineswegs«, versetzte sie. »Wir hatten im Vorjahr einen Skandal in
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