Heißes Geld
setzen.«
Hannelore stellte fest, daß er die Kränkung wie ein Heiliger ertrüge. Die Rührung machte sie nüchtern, die Zuversicht dann wieder durstig und die nächste Flasche endgültig trunken. Es fiel ihr nicht auf, daß ihr Mann immer wieder auf die Uhr sah. Sie bemerkte auch nicht, daß er warme Worte mit giftigen Blicken begleitete.
»Hast du schon jemals erlebt, daß ich soviel Sekt vertrage?« fragte Hannelore lallend.
»Nein.«
»Ich würde am liebsten noch nach unten gehen, an die Bar, und etwas ganz Tolles anstellen.«
»Damit mußt du noch eine Weile warten«, erwiderte er lächelnd.
Zuerst wurde Hannelore zärtlich, dann schläfrig. Sie drängte sich an ihn und legte den Kopf an seine Schulter. Nareike wartete, bis sie eingeschlafen war und haderte mit sich, weil sie wieder erwachen würde.
Nur wenn er sie bei Laune hielt, war überhaupt noch etwas zu retten. Er mußte Hannelore drillen wie einen Fisch an der Angel, wenn er mit seinem zwangsläufig geänderten Plan ans Ziel kommen wollte.
»Möchtest du nicht ins Bett?« fragte er.
»Später«, antwortete Hannelore mit einem törichten Lächeln.
»Ich helfe dir«, forderte er sie auf und schob sie behutsam weg, hob sie auf, trug sie zu ihrem Bett, setzte sie vorsichtig ab, füllte ihr noch ein Glas als Schlummertrunk und war ihr – zum ersten Mal seit langem – beim Ausziehen behilflich. Fürsorglich legte er Hannelore ein Kissen unter den Kopf, deckte sie liebevoll zu und traf dabei Absprachen mit ihr, die sie nicht mehr erfasste, aber lebhaft begrüßte.
Er wartete, bis sie mit einem dummen, glücklichen Lächeln eingeschlafen war, nahm aus seiner Brieftasche ein Bündel Geldscheine, schrieb auf einen Zettel: »Bin unterwegs und unternehme nun alles, wie wir es vereinbart haben. Erwarte bitte meinen Anruf«, und legte beides auf sein unbenutztes Bett.
Dann löschte er das Licht, verließ lautlos den Raum und hastete mit langen Sätzen über den Gang, fuhr mit dem Lift nach unten, stürmte durch die Halle, rief ein Taxi. Nareike ließ sich diesmal direkt zu seinem Leihwagen am Stadtrand bringen. Er durfte auf die Vorsichtsmaßnahme verzichten, die er beim Anweg so pedantisch eingehalten hatte. Dabei konnte er noch ganz zufrieden sein, daß er Hannelore nicht ermordet hatte. Nur dem Umstand, daß seine Frau sentimental geworden war, verdankte sie ihr Leben und er seine Freiheit.
Er setzte sich an das Steuer und raste mit verbissenem Gesicht in halsbrecherischer Fahrt los. Der alte Opel ratterte und knatterte, schwänzelte und tänzelte über die Autobahn, aber immer wieder trat Nareike das Gaspedal durch, daß der Motor aufheulte wie ein gequältes Tier. Auf der Höhe von Ulm vermied er im letzten Moment einen Zusammenstoß mit einem parkenden Lastwagen.
Endlich kam das Hinweisschild auf die Ausfahrt Degerloch-Stuttgart in Sicht. Nareike bog ab, noch immer zu schnell, aber er sah Sabine vor sich, Sabine in den Kissen, sah den reizvoll aufreizenden Körper, den er erschlossen hatte, in einem durchsichtigen Nachthemd, jung und frisch.
Er müßte aus Hannelore noch einen Vorsprung herausschmeicheln, drei, vier Tage mindestens, dann könnte er unter doppelt falschem Namen mit Sabine nach Südamerika verschwinden, und künftig ergäbe sich für ihn nur noch das Problem, auf sich zu achten, in Form zu bleiben, gesund zu leben und seine Millionenbeute sicher anzulegen.
Nareike erreichte das ›Hotel Zeppelin‹ tatsächlich noch vor Mitternacht, aber eigentlich nur, um zu erfahren, daß ihm dieser Tag auch in seinen letzten Minuten noch nichts schenkte. Der leicht eingedöste Portier fuhr schlaftrunken hoch, als er Nareikes wuchtigen Schritt in der leeren Halle hörte.
Der späte Gast wollte nach oben gehen, aber der Hotelbedienstete hielt ihn auf: »Hier, Ihren Schlüssel, mein Herr.«
»Wieso?« fragte Nareike. »Ist meine Frau nicht da?«
»Ihre Gattin?« fragte der Portier. »Leider ist die gnädige Frau noch nicht angekommen.« Er zog den Kopf ein, denn trotz des gesenkten Blickes sah er, daß der Gast am liebsten mit den Fäusten auf ihn einschlagen würde.
»Was sagen Sie da?« keuchte Nareike.
»Leider, mein Herr.«
»Kein Anruf? Keine Nachricht?«
»Nichts – leider nichts, Herr«, er sah in sein Anmeldebuch: »Herr Nareike.«
»Aber das gibt es doch nicht! Das kann doch nicht sein!« tobte er und ging weiter; der Portier lächelte hinter dem Mann her, der begriff, daß seine Pläne schon wieder einmal umgeworfen worden
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