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Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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zurückgekommen. Nareike stand auf und ging auf Zehenspitzen an die Badezimmertür heran. Er hörte ihr leises Weinen. Er wußte, daß der Alkohol die meisten Menschen, die nur gelegentlich trinken, sentimental macht. Nareike nahm einen Schluck, goss sich nach, sah sich im Raum um und ging noch einmal alle Einzelheiten durch.
    Er starrte wieder auf das Glas. Daneben lag die Fotokopie eines Schreibens in Hannelores Handschrift. Nareike betrachtete es zerstreut und erinnerte sich flüchtig der anklagenden Worte seiner Frau. Er sah unwillig zur Tür, ärgerte sich, daß er die Prozedur nicht schon viel früher hinter sich gebracht hatte. Er nahm lustlos das Schreiben zur Hand, faltete es gemächlich auseinander:
    Mein letzter Wille, las er und grinste.
    Die zärtliche Radiomusik wich einem Kommentar; der Sprecher mit der metallischen Stimme kommentierte den Tod eines Euthanasie-Professors Heyde-Sawade, der sich in seiner Gefängniszelle mit dem Gürtel erhängt hatte. Lauter Anfänger, sagte sich Nareike: der Professor, weil er sich fassen ließ – die Gefängniswärter, weil sie ihm den Leibriemen nicht abgenommen haben.
    Er las und er lächelte nicht mehr. Die Buchstaben führten einen wahnwitzigen Veitstanz auf. Seine Augen traten aus den Höhlen, und an seinen Schläfen schwollen die Adern:
     … setze ich meinen Ehemann Horst Linsenbusch als Alleinerben meines gesamten Besitzes ein. Er lebt unter dem Namen Werner Nareike in Essen-Kettwig – …
    Mühsam begriff der Mann, der seine Frau in eine Falle gelockt hatte, daß er selbst in eine Falle geraten war.
    Die Fotokopie glitt zu Boden.
    Er hörte seinen eigenen Atem, merkte, wie ihm das Blut in den Kopf schoß. Seine Glieder waren gelähmt, als hätte er den Schierlingsbecher ausgetrunken. Er fegte die Schale mit der Blausäure vom Tisch. Nareike spürte Hass, angesichts soviel Gemeinheit, und stand auf, ging in rasender Wut auf das Badezimmer zu, um Hannelore zu erwürgen, entschlossen, ihr zu keinem leichten Tod mehr zu verhelfen.
    Plötzlich aber blieb er abrupt stehen und versuchte wieder geordnet zu denken. Seine Zukunft war ihm davongeschwommen, aber er war, aus den Wolken fallend, noch nicht zerschmettert. Er dachte an Sabine und die Dollarmillion, an die Dollarmillion und an Sabine. Nareike erfasste, daß nur dann noch etwas zu retten war, wenn er seine Mitwisserin, die sich selbst unangreifbar gemacht hatte, nicht anrührte, sondern hinhielte.
    Er riß die Badezimmertür auf.
    Hannelore betrachtete ihn mit verweinten, geschwollenen Augen.
    »Was hast du denn?« fragte er, so ruhig er konnte.
    Ihre Haare waren zerwühlt, ihr Blick umflort, ihre Schultern hingen durch, und ihr Gesicht wirkte schmal und verfallen, als sie in den Salon zurückwankte.
    »… ein abscheulicher Massenmörder hat sich selbst gerichtet«, sagte der Radiosprecher. »Am Vorabend eines Prozesses, der uns eine Reihe von Ungeheuerlichkeiten …«
    Nareike griff nach seinem Glas und knallte es gegen den Lautsprecher.
    »Ich kann das nicht mehr hören!« brüllte er. »Es muß doch einmal Schluß damit sein.« Er wurde wieder ruhiger: »Setz dich doch«, lud er die Begnadigte ein.
    Er nahm ein neues Glas, füllte es mit gutgekühltem, bekömmlichem Schaumwein.
    »Ich schäme mich so«, sagte Hannelore mit erstickter Stimme. Ihre Augen flüchteten vor ihm, bis er sie derb an der Schulter faßte. Sie hob demütig den Kopf, sah ihn mit einem ärmlichen Lächeln an.
    »Schön ist das nicht!« Nareike sprach, als hätte er Sand zwischen den Zähnen.
    »Du mußt mich verstehen, Horst, es war eine spontane Dummheit. Ich hatte Angst, daß du nicht kommen würdest, und dann war so ein grausamer Föhntag und …«
    »Und deine alte Eifersucht«, unterbrach sie Nareike höhnisch, »nicht wahr?«
    »Ja«, gestand Hannelore.
    »Gut«, antwortete er, »daß wenigstens mir einmal etwas Neues eingefallen ist.«
    »Horst.«
    »Werner«, verbesserte sie der Mann, dessen Mordarm im letzten Moment gelähmt worden war.
    »Gut, Werner«, setzte Hannelore zum zweiten Mal an. »Ich werde das Testament rückgängig machen.«
    »Nichts wirst du!« entgegnete er schroff.
    »Doch«, beharrte Hannelore. »Morgen schon.«
    »Das Testament bleibt, wo es ist«, bestimmte Nareike.
    »Dich beruhigt es – und mir tut es nicht weh. Du siehst nicht so aus, als ob du morgen oder übermorgen sterben müsstest. Wir werden jetzt gemeinsam überlegen, was zu tun ist. Nichts überstürzen und dann einen neuen Anfang

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