Heißes Geld
Verschluss, nahm Hannelores halbgeleertes Glas, schüttete das Zyankali hinein, beobachtete befriedigt, daß es die Farbe nicht veränderte, roch daran und stellte die Schale vorsichtig wieder auf den Tisch zurück, füllte sie auf, entschlossen, mit Hannelore ›Ex‹ zu trinken.
Ex – wie Exitus – ex und tot.
Erst ab Mittwoch Vormittag war – wenn überhaupt – mit Resultaten der heimlichen Fahndung nach Hannelore Linsenbusch in München zu rechnen gewesen. Die zuständigen Polizeibeamten hatten einen Wink erhalten, sich die Anmeldescheine der Hotels auf die Namen Hannelore Linsenbusch, Hannelore Hildebold oder Hannelore Dannemann genau anzusehen – aber es waren nur Fehlanzeigen eingegangen, ob man nach dem offiziellen, nach dem früher verwandten oder nach dem Mädchennamen der Gesuchten fahndete.
Es war anzunehmen – doch nicht sicher – daß sie sich in München aufhielte; sie konnte privat wohnen, einen vierten Namen benutzen, sich als angebliche Ehefrau ihres unbekannten Begleiters in ein Hotel eingemietet haben. Es waren jedenfalls zu viele Möglichkeiten für einen Kriminalisten. Irgendwie spürte Sigi, daß der Fall Linsenbusch vor einer entscheidenden Wende stünde.
Vielleicht waren Henry und Barbara zu schnell vorangekommen und hatten dadurch den Untergetauchten gewarnt. Oder versuchte er mit beträchtlicher Verspätung, sich mit seiner Frau – und Witwe – ins Ausland abzusetzen? In diesem Fall könnte er der Sühne endgültig entgehen; er würde sich hüten, nach Frankreich, in die USA oder nach Israel zu flüchten, und kein anderes Land würde ihn bei diesen angejahrten Anschuldigungen ausliefern.
Sigi hatte mehrmals mit Kriminalamtmann Beringer, dem Chef der Münchner Fahndungsabteilung, telefoniert, einem Begleiter seines US-Trips vor drei Jahren, mit dem er seit langem offiziell und inoffiziell bestens zusammenarbeitete.
Am Abend wurde seine Unruhe übermächtig; der Kriminalrat aus Wiesbaden meldete sich in München an und stieg schnell entschlossen in die Abendmaschine nach Riem. Er fuhr mit dem Taxi in die Ettstraße, wo ihn sein Gefälligkeitspartner außerhalb der regulären Dienstzeit erwartete.
»Ich habe den zuständigen Beamten noch einmal einen Wink gegeben und die Sache dringlicher dargestellt. Meine Leute werden sich heute nacht jeden Anmeldezettel zweimal ansehen, ohne Fragen zu stellen.« Er nickte Sigi zu: »Bleibst du länger in München?«
»Nein, ich muß morgen früh wieder in Wiesbaden sein«, antwortete der Gast und kam sofort wieder zur Sache: »Wir könnten Hannelore Linsenbusch jederzeit zur Fahndung ausschreiben lassen. Es liegen ausreichende Verdachtsmomente für einen Haftbefehl gegen sie vor«, wurde Sigi deutlicher. »Aber es geht uns weniger um sie als um ihren Hintermann, und der darf nicht vorzeitig aufgescheucht werden.« Er sah seinen Helfer an: »Wie handhabt ihr in München die Hotelüberwachung?«
Die Frage war auch für einen Fachmann nicht ungewöhnlich, denn die Prozedur lief nicht nur von Land zu Land, sondern auch noch von Ort zu Ort verschieden. Da das Dritte Reich ein totaler Polizeistaat gewesen war, hatten sich die Ordnungshüter aus Gründen des Takts angewöhnen müssen, leise und unauffällig in Erscheinung zu treten.
»Das hängt vom Ruf des Hauses ab«, erwiderte der Fahndungschef. »Außerdem klafft natürlich aus Personalmangel zwangsläufig ein gewisser Unterschied zwischen Theorie und Praxis, das heißt: zwischen Vorschrift und Möglichkeit. Ist nicht viel los, beschränken wir uns wenigstens in den besseren Hotels auf Stichproben. Suchen wir einen bestimmten Täter, sehen wir uns selbstverständlich alle Meldescheine an, und …«
»Wann und wie?« unterbrach ihn der Kriminalrat.
»Meistens kurz vor Mitternacht. Ein Polizeibeamter sichtet im jeweiligen Hotel die Anmeldescheine. Ist einer der Gäste zur Fahndung ausgeschrieben, meldet er es der Kriminalwache, die dann die Festnahme vornehmen läßt. Schöpft der Beamte bei einem nicht ausgeschriebenen Hotelgast Verdacht, nimmt er das Formular mit, fotokopiert es und gibt das Original wieder an das Quartier zurück. Die Hotels heben übrigens die Meldescheine mindestens sechs Jahre lang auf, manche sogar noch länger …«
»Und in Bayern muß jeder Hotelgast einen Übernachtungsschein ausfüllen?«
»Müßte«, antwortete Beringer. »Aber es gibt Ausnahmen: Einmal sind wir ein Fremdenverkehrsland und haben deshalb gewisse Rücksichten zu nehmen. Deshalb sieht
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