Heißes Geld
unterzutauchen.«
Um 17 Uhr flog Henry Feller nach Zürich ab und landete eine Stunde später auf dem Flughafen Kloten, entschlossen, ein spätes Finale zu zünden.
Hannelore Linsenbusch war spät am Morgen erwacht. Sie sah sich benommen in dem großzügigen Apartment um, erinnerte sich verschwommen der schönen Stunden mit Horst, der sich bei dem gefürchteten, wenn auch von ihr erzwungenen Rendezvous so großartig benommen hatte. Sie lächelte im Halbschlaf, suchte ihren Mann neben sich; ihre Hand griff ins Leere, aber bevor es ihr richtig bewußt wurde, war sie schon wieder eingeschlafen.
Gegen Mittag kam Hannelore in Raten zu sich; sie hatte einen faden Geschmack im Mund: ein Druck lag um ihren Kopf wie ein Eisenring. Sie betrachtete erschrocken den riesigen Raum, in dem sie sich winzig und verloren vorkam, und der sicher am Tag soviel Geld kostete, wie sie sonst in einem Monat zum Leben ausgab.
Dann merkte sie, daß sie allein im Zimmer war. Zuerst wähnte sie Horst im Bad, dann nahm sie an, daß er sich um sein Gepäck am Bahnhof kümmere. Zuletzt aber konnte sie nicht mehr übersehen, daß sein Bett unberührt geblieben war. Auf dem Kopfkissen lagen ein Bündel Geldscheine und ein Zettel mit der Nachricht: »Bitte erwarte meinen Anruf.«
Der Donnerstag malte ihre Zukunft nicht mehr ganz so rosig, wie der Abend zuvor, aber Hannelore redete sich ein, daß sich Horsts Verschwinden unverzüglich aufklären würde: Zumindest würde sie ihn für vier Wochen haben – und das wäre viel, wenn man ein ganzes Jahr darauf gewartet hatte.
Sie ging ins Bad. An allen Wänden waren Spiegel angebracht und warfen mehrfach ein blasses Gesicht zurück, das das ungewohnte Blond noch fahler machte. Sie sah die riesige Badewanne und erlag der Zwangsvorstellung, daß sie in ihr ertränkt werden solle, aber diesmal wehrte sie sich standhaft gegen die aufkommenden Nebel hässlicher Verdächtigungen.
Sie hatte sich ekelhaft benommen, und er hatte es großzügig übergangen; ein gestraffter, verjüngter Mann, der die ihm angetane Schmach wie ein Grandseigneur ertragen hatte.
Hannelore ließ den vollen Strahl der Dusche auf die Haut prasseln, als solle er alle Zweifel fortspülen. Sie ging an die Tür und riß sie auf, um Horsts Anruf nicht zu überhören.
Die Brause hatte sie erfrischt, aber noch immer fehlte ihr der klare Kopf. Sie setzte sich neben das Telefon, wartete und haderte mit ihrer Unsicherheit: Wer ein ganzes Jahr aushielte, könne auch noch ein paar Stunden Trennung auf sich nehmen, zumal jetzt die Hoffnung bestünde, diese elende Zeit endgültig hinter sich zu bringen. Horst war nie zimperlich gewesen, nie ein Schwätzer, immer ein Aktivist. Tatsächlich hatte er in letzter Zeit zunehmend davon gesprochen, daß er nunmehr bald aus der Deckung gehen könne. Aber im Vorjahr hatte ihn die Festnahme und Entführung Eichmanns zurückgeworfen, und die Meldung von gestern über den Euthanasieprofessor wäre sicher auch nicht dazu angetan, seine Unternehmungslust zu fördern. Trotzdem setzte sie darauf, daß er nunmehr tatsächlich etwas versuchen würde, um in ein menschenwürdiges Leben zurückzukehren.
Hannelore kämpfte gegen Zweifel und Kopfschmerzen. Drei leere Sektflaschen lagen herum und wiesen stumm darauf hin, daß selbst vier glückliche Stunden ihren Preis hätten. Der einsame Hotelgast rief den Zimmerservice an und orderte einen Eisbeutel und eine Erfrischung. Bis der Etagenkellner kam, starrte Hannelore auf die Straße, als erwarte sie, dort jeden Moment den scheintoten Horst zu sehen.
Dann bemerkte sie auf dem Kacheltisch Papierfetzen und stellte fest, daß es die zerrissene Ablichtung ihres Testaments war. Sie hob die Stücke auf, zerkleinerte sie in winzige Schnipsel und spülte sie die Toilette hinunter. Sie klagte sich dabei an, daß sie Horst und sich fast um den letzten Rest Gemeinsamkeit gebracht hätte und das in einem Moment, da er einen Ausweg gefunden zu haben schien.
Endlich läutete das Telefon. Hannelore nahm hastig den Hörer ab.
»Ich«, sagte Nareike mit forscher, ferner Stimme. »Wie fühlen wir uns denn, altes Mädchen?«
»Schlecht«, klagte Hannelore, »der Alkohol, und …«
»lass dir Kopfschmerztabletten kommen«, empfahl er. »Und eine Prärieoyster und bleib bis zum Abend im Bett, und dein Zustand wird sich von Stunde zu Stunde bessern.« Er lachte gutgelaunt. »Du weißt ja, ich spreche aus Erfahrung.« Übergangslos fuhr er fort: »War 'n netter Abend, gestern?«
»Sehr
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