Heißes Geld
Limmat den Möwen und Schiffen zusahen, Ansichtskarten schrieben und einander fotografierten.
Henry verließ das Hotel, um Saumweber, den dubiosen Geschäftsmann, in der Bahnhofstraße aufzusuchen, der – wie er wußte – gerade aus Beirut angekommen war und heute noch nach Locarno Weiterreisen würde. Der Firmensitz des Mannes, der sich jetzt Seligmann nannte, lag ganz in der Nähe des Hotels ›Zum Storchen‹.
Nach seiner Ankunft in Zürich hatte sich der Anwalt gestern Abend noch die Beine vertreten und im Vorbeigehen in dem großen Geschäftshaus in der Bahnhofstraße neben vielen Hinweisen auch das Messingschild mit der Aufschrift SELIGMANN & CO, IMPORT – EXPORT gesucht und gefunden.
Als New Yorker mit dem Geschäftssitz an der Ecke Fifth Avenue zur 53. Straße war er an Luxus gewöhnt, trotzdem sah sich Feller jetzt in die Hauptstadt des Wohlstandes versetzt. Er erreichte die Zeile der Versuchung, in der die Welt einkauft, die City einer Stadt, die sich nicht zu Unrecht die ›Drehscheibe Europas‹ nennt. Schon am frühen Morgen führten kultivierte Damen Rassehunde und Eleganz spazieren. Die Herren trugen dunkle Anzüge und wirkten gesetzt, als trügen sie schwer an ihrer Gewichtigkeit. Sie waren blicklos für den blauen Himmel und die strahlende Sonne. Man sagte ihnen nach, sie blieben so ernst, damit man beim Lachen ihre Goldzähne nicht zählen könne. Rudel von Touristen stauten sich vor den breiten Auslagescheiben, versucht, ihre Reisekasse zu ruinieren.
Feller hatte das wuchtige Geschäftshaus erreicht. Ein Portier im Maßanzug öffnete höflich die Tür und geleitete den Besucher zu dem mit Edelholz ausgeschlagenen Lift. Das Gebäude war kühl. Es roch nach soliden Geschäften, nach gehäuftem Reichtum, der sicher älter war als die Aktiva der Firma Axel Seligmann & Co.
Die Sekretärin in dem pompösen Vorzimmer sah aus wie ein Mannequin, sie legte ihre Zigarette weg, schob ohne Eile ein Modejournal zur Seite und knipste ein Lächeln an.
»Henry W. Feller«, stellte sich der Amerikaner vor. »Junior-Partner der Anwaltsfirma Brown, Spencer & Roskoe. Ich würde gerne mit Herrn Seligmann sprechen.«
»Sie sind nicht angemeldet?«
»Nein.«
»Wird die Unterredung länger dauern?«
»Unter Umständen«, entgegnete Feller.
»Herr Seligmann hat um 11.30 Uhr schon einen Termin«, stellte sie fest und vergewisserte sich: »Es handelt sich um eine geschäftliche Angelegenheit, die nur Herr Seligmann persönlich …«
»So ist es.«
Die plakative Schönheit erhob sich, um den Besucher anzumelden.
Seligmann-Saumweber stand am Fenster. Sein Büro war so groß, daß er sich im Raum fast verlor, obwohl er vierschrötig war, eine wuchtige Erscheinung, mit einem glatten, faltenlosen Gesicht. Der Mann mit der umstrittenen Vergangenheit und der zweifelhaften Gegenwart wirkte auf den ersten Blick rosig und gesund wie ein riesiges Milchbaby, ein Eindruck, der durch die flaumigen, weizenblonden Haare, die farblosen Brauen und die verwaschen-lichtblauen Augen noch unterstrichen wurde.
»Bitte, Mr. Feller«, lud er den Besucher in die Sitzecke ein.
»Sie kommen aus New York?«
»Ja«, erwiderte Feller. »Mit einem kleinen Umweg über Frankfurt nach München.«
»Brown, Spencer & Roskoe«, wiederholte Saumweber, »habe schon öfter diese Namen gehört und …«
»Wir sind nicht ganz unbekannt«, untertrieb der Amerikaner: »Unsere Aktivitäten erstrecken sich nicht nur auf New York und Umgebung, und in letzter Zeit hatten wir auch mit der ›Minnesota Equipment Company‹ zu tun.«
»Oh«, entgegnete Saumweber-Seligmann mit deutlich erwachtem Interesse.
»Diese Leute rieten uns, Sie zu kontaktieren. Es handelt sich um eine unserer Klientenfirmen, die ich zunächst ungenannt lassen möchte«, fuhr der Anwalt fort: »Ein großer Konzern, der unter anderem auch Waffen produziert, und …«
»… seine Überschüsse gerne loswerden möchte«, ergänzte Seligmann.
»So ungefähr, aber nur legal.«
»Wenn Sie als legal betrachten, was nicht unter Strafe steht«, versetzte der Waffenschieber und CIA-Handlanger, »und Gewinn bringt, dann bin ich für Sie der richtige Mann.«
»Das dachte ich auch«, antwortete Feller mit einem verschwommenen Lächeln.
»Ich denke, wir können offen miteinander reden. Ich vertrete seit 22 Jahren amerikanische Interessen, keine anderen. Ich würde niemals etwas unternehmen, was Ihrem Land schadet, ganz im Gegenteil. Es braucht nicht der letzte Schrei zu sein, es
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