Heisses Gold im Silbersee - Duell im Morgengrauen - Schüsse aus der Rosenhecke
Gedanken.
„Gräbig! Du
bist überführt.“ Tims Stimme bohrte wie der Gewindebohrer, den er ebenfalls in
Gräbigs Hobbyraum gesehen hatte. „Alle Beweise liegen vor. Laß jetzt die
Wahrheit raus — und man wird dich freundlichst behandeln. Klar? Wo ist die
Bibel, die du bei Graf Schnuck gestohlen hast?“
Gräbig
öffnete den Mund.
Seine
ziemlich belegte Zunge fiel von einer Backe in die andere.
„Ha... habe
ich nicht mehr.“
„Du hast
sie nicht mehr. Wo ist sie?“
„Verkauft.“
Er begann die Augen zu verdrehen. Offenbar wurde ihm schlecht.
„Verkauft.
Aha! An wen?“
„Ans
Antiquitäten-Geschäft.“
„An
welches?“
„In der
Bring... Bring... Bringmeyer-Straße. Antiquitäten-Haus Altstetten. Habe 500
Mark... Blöääähhh... Mir wird schlecht.“
Tim half
ihm und hielt ihn. Aber Gräbig gab nur drei Rülpser von sich. Dann war ihm
besser, und der Blick hellte auf.
Tim erhob
sich.
„Preisslerin,
können wir bei dir telefonieren? Jetzt muß die Kripo her — um genau zu sein:
Gabys Vater, Kommissar Glockner.“
Der
Schreck, schien es, hatte das Tennismädchen in Gips verwandelt. Gipsweiß war
sie auch im Gesicht.
Jetzt löste
sich die Erstarrung, und sie nickte heftig.
„Ja. Aber
klar. Natürlich. Die Kripo anrufen. Bitte! Übrigens heiße ich Ute.“
Während die
Jungs den diebischen Schwarzarbeiter bewachten, ging Gaby mit Ute ins Haus, um
ihren Vater anzurufen.
10. Zweiter Streich der Glücksgöttin
Claudia
Herrn saß am Tisch und preßte die Hände aneinander. Unter dem Make up war sie
fahl wie ein Nebeltag.
Herrn hatte
berichtet — ohne Beschönigung, ohne Verniedlichung.
Claudia
schüttelte immer wieder den Kopf.
„Ich
verstehe dich, Siggi. Aber... O mein Gott! Mußte das sein? Du hast das Geld,
das er dir bringen wollte, in den Fluß geworfen. 150 000!“
„Bitte“,
keuchte Herrn, „sprich’s nicht nochmal aus. Sonst springe ich aus dem Fenster.“
Er hatte
Eiswürfel in ein Küchenhandtuch gefüllt.
Den
improvisierten (aus dem Stegreif verfertigt) Eisbeutel drückte er sich
gegen die Stirn.
Jetzt
bereute er, daß er den Kopf gegen die Wand geschlagen hatte.
Beulen bildeten
sich.
Über der
Nasenwurzel war eine Rißwunde.
Im Gehirn
sprangen seltsame Bilder umher.
Er sah
unendlich viele, schwarze Dokumentenkoffer. Alle enthielten gebündeltes Geld.
„...und du
bist sicher, Siggi, daß Barthel lebt?“
„Aber ja!“
„Er ist
nicht tot?“
„Neiiin! Er
war nur bewußtlos. Ganz sanft ist er den Hang runtergerutscht. Am liebsten wäre
ich hinterher — und hätte ihm noch eine versetzt. Prellungen hat er jetzt. Aber
dem geht’s besser als uns.“
Sie stützte
den Kopf in die Hände.
„Die
Hauptsache ist, Siggi, daß dich Barthel nicht beschreiben kann.“
„Er hat
mich nur von hinten gesehen. Falls er mich überhaupt beachtet hat. Nein, hat er
nicht. Das weiß ich genau.“
Sie wirkte
erleichtert.
Im
Wohnraum, wo sie saßen, brannte nur eine Stehlampe.
Der Tisch
war festlich gedeckt.
Sogar
Sektgläser hatte Claudia bereitgestellt. Aber die Flasche war bis jetzt im
Eisschrank geblieben.
Plötzlich
lächelte sie ihn an. Das Strahlen kehrte auf ihr Make up-Gesicht zurück.
„Siggi, wir
hocken hier, grämen uns, blasen Trübsal, verzagen. Dabei — wie ich sagte — hat
uns die Glücksgöttin zweimal bedacht... Äh, ich meine: einmal, wie sich jetzt
herausgestellt hat. Der erste Streich war ja nichts. Um so besser wird der
zweite. Wir können reich werden, du brauchst deine Firma nicht mehr, und aller
Ärger ist vorbei.“
Kaltes
Wasser lief aus seinem Eisbeutel.
Es lief ihm
übers Gesicht. Hals und Kragen waren naß.
„Moment
noch, Claudia. Erst bringe ich das Zeug in die Küche.“
Als er ohne
Eisbeutel zurückkam, war seine Miene so skeptisch (zweiflerisch) wie
zuvor.
„Also?“
„Hast du im
Betrieb die Zeitung gelesen?“
Er nickte.
„Auch den
Artikel über den versunkenen Schatz, das Roderich-Dokument, den Privatgelehrten
Baumgart, die verschwundene Ziegenhaut-Bibel.“
„War
hochinteressant.“
Er wollte
die Brauen zusammenschieben. Aber das hielt seine Stirn nicht aus.
Also
blickte er seine Frau weiterhin scheinbar ausdruckslos an.
Ein
verschlagener Zug trat in ihr Gesicht.
Eigentlich
mochte er das nicht.
Es
erinnerte ihn an ihre Zeit als Bardame — wenn sie betrunkenen Gästen überhöhte
Rechnungen vorlegte.
Manchmal
freilich konnte ihre Verschlagenheit sehr nützlich sein.
„Siggi,
seit heute glaube ich ans
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