Heißes Pflaster Sachsen ROTE LATERNE Band 6 (Liebesroman Rote Laterne) (German Edition)
ist, du machst einen auf ruhig. Und mit den Pillen kannst du das. Morgen sieht die Welt wieder anders aus. Ich heiß übrigens Elvira.«
»Du bist nicht von hier?«
»Nein«, sagte Elvira. »Ich komme eigentlich ausm Kohlenpott, habe aber zuletzt in München angeschafft. Dann bin ich nach Leipzig gekommen. Aber ich glaube, das war ein Fehler.« Den letzten Satz hatte Elvira nur gemurmelt und ihn dann mit einem tiefen Seufzer abgeschlossen. Nun gab sie sich einen energischen Ruck. »So ist halt das Leben«, sagte sie, und sie wusste nicht mehr, wie oft sie einem Mädchen schon diesen Satz gesagt hatte. Oft genug jedenfalls.
Der Alkohol und die Pillen taten ihre Wirkung. Iris empfand wirklich ein Gefühl endloser Gleichgültigkeit. Später nahm sie der Zuhälter Ted und nach ihm noch zwei seiner Jungens. Iris fühlte sich wie ausgebrannt und träumte von daheim, einem kleinen Elbdorf, das nun so weit weg war, als läge es am anderen Ende der Welt.
An diesem Abend hatte Iris neben dem Zuhälter und seinen Freunden noch drei weitere Kunden zu bedienen. Ein neues Gesicht im »Puppenstübchen« war wie ein Magnet für die sexhungrigen Kunden. Darunter waren viele aus den westlichen Ländern, vielleicht weil sie eine andere, eine neue, unverbrauchte Art von käuflicher Liebe erwarteten? Und in vielen Fällen waren es auch einfache naive Mädchen, die ihre Dienste für das schnelle Geld feilboten, weil die aufstrebende Konsumgesellschaft nun unweigerlich ihren Tribut verlangte und keiner hinter dem anderen anstehen wollte.
*
Nach Iris brachten Ted und seine Kumpane noch drei weitere Mädchen, die aus fremden Revieren stammten.
Dafür hatten Molly und Angie das »Puppenstübchen« verlassen müssen. Elvira hatte es den beiden nicht gerne gesagt.
»Wat soll ich denn machen?«, waren ihre klagenden Worte gewesen. »Über die Luden kann ich nicht anstehen, oder meint ihr, ich will mich völlig platt machen lassen?«
»Wo soll ich denn hin?« fragte die alte Angie. »Ich lass mich doch nicht auf den Aso-Strich stellen, wo du jeden Besoffenen hinter den Ölfässern für zehn Mark drüber lassen musst.«
»Mach Putzfrau!«, riet Elvira.
»Anderen den Dreck wegmachen? Nee, bin selbst Dreck genug. Das wäre das letzte.«
»Dann such dir eine andere Arbeit!«
»Wo denn? Wie denn?«, rief Angie. »Es gibt genug, die auf der Straße sitzen. Ein paar fressen das Fleisch und der große Rest die Knochen. Ich hab doch nicht mal ein Dach über dem Kopp, wenn ich hier raus muss.«
Am nächsten Tag war Molly gekommen. Sie hatte irgendwo, ohne Wissen der Zuhälter, ein paar Mark »gemacht«, wie sie es bezeichnete. Molly hatte Angie eigentlich nie gemocht. Aber jetzt, in der Not, tat ihr die alte Dirne leid.
»Ich habe in der Klunkestraße eine kleine Wohnung gekriegt«, verkündete sie. »Möbliert und gar nicht so toll teuer. Da ziehen wir beide rein, du und ich. Und dann machen wir auf Zeitung oder so. Und jede Ludensau, die mir über die Schwelle kommt, kriegt von mir ein Küchenmesser in den Wanst, verlass dich drauf, Angie.«
So verließen die beiden Dirnen das »Puppenstübchen«, versprachen allerdings, mit Elvira in Kontakt zu bleiben. Es gab sogar ein paar Tränen beim Abschied.
»Es ist eine Sauerei, was die mit uns machen«, sagte Liza wütend. »Ich hatte auch mal einen Kerl in München. Aber der war nicht halb so schlimm wie die alle hier.«
»Meiner war okay«, meinte Jenny ein wenig verträumt.
»Warum hast du ihn dann in den Wind geschossen?«, wollte Elvira wissen. Da zuckte Jenny die Schultern.
»Weil du denkst, es geht auch ohne. Aber hier geht es nicht ohne. Hier brauchst du einen Loddel, auf den du dich verlassen kannst. Und auf Charlie konnte ich mich verlassen.«
Hätte Elvira geahnt, welche Gedanken Jenny beschäftigten, so wäre sie wahrscheinlich aus der Haut gefahren. Aber dem ruhigen Gesicht der jungen Dirne war nichts anzumerken.
Jenny hatte mehrere Ideen. Eine davon war, einfach zu verschwinden und nach München zurückzukehren. Aber sie gehörte nun zu Teds Crew und konnte schlecht abwägen, welche Verbindungen die Leipziger Zuhälter nach München hatten. Im Normalfall waren diese Verbindungen trotz aller Konkurrenz gut, denn die Luden waren im gewissen Sinne aufeinander angewiesen.
Es kam vor, dass die eine oder andere Dirne weglief. Die Zuhälter spürten sie auf und brachten sie zurück. So unterstützte man sich gegenseitig. Die Dirnen wussten das, und daher ging ein
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