Heißes Versprechen
»Ich habe Sie sehr wohl verstanden, Sir. Wie ich höre, werden Mädchen auf Auktionen wie Pferde verkauft. Die armen Dinger gehen an denjenigen, der den höchsten Preis für sie bietet.«
»Keine Angst, wir werden sie noch rechtzeitig retten können«, meinte Artemas leise.
Latimer wandte ihm das Gesicht zu. In dem gelblichen, aus der Schänke dringenden Licht wirkte es wie eine schaurige Maske. »Wenn Sie meine Nellie heute Nacht hier unversehrt herausbekommen können, werde ich den Rest meines Lebens in Ihrer Schuld stehen, Sir.«
Der arme Mann ist verliebt, dachte Artemas. Unfähig, noch weitere Beschwichtigungen zu finden, drückte er lediglich kurz Latimers Schulter. »Nicht vergessen«, meinte er, »mir fünfzehn Minuten zu geben, aber nicht mehr, und dann ein Ablenkungsmanöver zu verursachen.« Er verschwand in der Dunkelheit.
»Jawohl, Sir.« Latimer schritt auf die Eingangstür zu, öffnete diese und trat in die Schenke.
Artemas lief zu der Gasse, die sich auf der Rückseite der Gaststätte befand. Nach nur wenigen Schritten schlug ihm eine Flut übel riechender Gerüche entgegen. Die enge Gasse war offenbar sowohl zur Verrichtung der Notdurft als auch als Müllhalde benutzt worden. Nachdem er seinen erzwungenen Auftrag erledigt hatte, würden seine Stiefel eine gründliche Reinigung nötig haben.
Er gelangte zum Ende der Gasse, bog um die Ecke und fand sich in etwas wieder, was ehemals ein Garten gewesen sein musste. Die Toilette der Schänke stand in einer der Ecken. Die Tür zur Küche stand offen, um etwas von der nächtlichen Luft hereinzulassen. Ein Stockwerk darüber brannte in einem der Fenster Licht.
Artemas schlug den Kragen seines Capes hoch, um so sein Profil zu verstecken. Dann näherte er sich der Küchentür. Falls ihm jemand begegnen sollte, so würde man ihn lediglich für einen dieser trunkenen Rüpel halten, die sich auf der Suche nach Laster und Unterhaltung im Rotlichtbezirk herumdrückten.
Er fand die Hintertreppe und vernahm die gedämpften Stimmen zweier Männer. Hinter einer der Türen war ein heftiger Streit im Gange.
»Sie ist erste Sahne, sag ich dir. Von der alten Puffmutter in Rose Lane könnten wir glatt das Doppelte bekommen.«
»Ich habe einen Handel abgeschlossen, verdammt noch eins, und daran werde ich mich auch halten. Ich muss schließlich an meinen Leumund denken.«
»Wir sind hier in ein Geschäft verwickelt, du verdammter Idiot, und nicht in ein Spiel der vornehmen Gesellschaft, wo es festgelegte Regeln und dergleichen gibt. Wir wollen doch Gewinn daraus schlagen, und ich sage dir, die wird uns einiges mehr eintragen, wenn wir sie der alten Schachtel in Rose ...«
Die Auseinandersetzung wurde von einem plötzlichen
Durcheinander im unteren Stockwerk gestört. Schreie und Rufe hallten im Treppenhaus wider. Artemas erkannte die lauteste unter den Stimmen. Sie gehörte Latimer.
»Feuer! In der Küche brennt es! Rennt um euer Leben, das Ding brennt wie eine Strohhütte!«
Ein donnerndes Geräusch folgte. Schwere Stiefel kamen auf die Tür zu, wie Artemas erwartet hatte. Er hörte ein Scharren, dann etwas splittern, ein Tisch vielleicht, den man umgeworfen hatte.
Er versuchte die erste Tür im Flur. Der Knauf ließ sich leicht drehen. Er öffnete die Tür einen Spalt und hielt inne. Sein Gespür sagte ihm, dass das nicht erleuchtete Zimmer leer sein musste. Er trat ein und ließ die Tür leicht angelehnt.
»Löst Alarm aus!«, hörte er Latimers gedämpfte Stimme rufen. »Der Rauch in der Küche ist so dicht, dass man seine eigene Hand nicht vor Augen sehen kann.« Die zweite Tür auf dem oberen Flur schlug krachend auf. Artemas beobachtete aus dem Schatten heraus, wie ein breiter, kräftig gebauter Mann erschien. Ihm folgte sein schmächtiger Kumpan mit einem hageren Gesicht. Das Licht, das vom Inneren des Zimmers herausdrang, beleuchtete ihre grobe Kleidung und verunsicherten Mienen.
»Was in aller Welt geht hier vor?«, richtete der große Mann seine Frage an niemand Bestimmten.
»Du hast doch das Rufen gehört.« Der schmächtige Mann versuchte, sich an dem Breitschultrigen vorbeizudrängen. »Es ist ein Feuer ausgebrochen. Ich kann den Rauch riechen. Wir müssen hier raus.«
»Und was ist mit dem Mädchen? Sie ist zu viel wert, als dass wir sie zurücklassen können.«
»Mein Leben jedenfalls ist sie nicht wert.« Dem Schmächtigen war es endlich gelungen, sich den Weg in den Flur zu bahnen. Er rannte auf die Treppe zu. »Du kannst sie ja über
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