Heißes Versprechen
die Schulter nehmen, wenn du dir die Mühe machen willst.«
Der große Mann zögerte. Er blickte zu dem erleuchteten Zimmer zurück. Ärger und Verzweiflung mischten sich auf seinem Gesicht. »Gott verdammt noch mal!«
Leider gewann die Gewinnsucht die Oberhand. Der Mann wandte sich um und kehrte zu der kleinen Kammer zurück. Eine Minute später kam er mit einer ohnmächtigen Frau über seinen breiten Schultern wieder heraus.
Artemas trat auf den Flur hinaus. »Gestatten Sie mir, Ihnen bei der Rettung der Dame behilflich zu sein.«
Der große Mann reagierte wütend. »Gehen Sie mir verdammt noch eins aus dem Weg.«
»Entschuldigung.« Artemas trat zur Seite.
Der Hüne rannte an ihm vorbei auf die Treppe zu. Artemas stellte ihm ein Bein und versetzte ihm gleichzeitig einen knappen Schlag auf die empfindliche Stelle zwischen Hals und Schulter.
Der Mann schrie auf, und sein linker Arm und der überwiegende Teil seiner linken Körperseite wurden empfindungslos. Er strauchelte und fiel der Länge nach über Artemas’ vorgestreckten Stiefel. Im vergeblichen Bemühen, seinen Sturz abzufedern, ließ er Nellie fallen.
Noch ehe Nellie auf dem Boden aufschlug, hatte Artemas sie aufgefangen. Er schulterte das Mädchen und lief zur hinteren Treppe. Von unten hörte er die Geräusche derer, die durch die Küchentür zu entkommen versuchten.
Ein Mann kam ihm im Treppenhaus entgegen.
»Haben Sie sie?«, fragte Latimer. Dann bemerkte er Artemas’ Last. »Nellie! Sie ist tot!«
»Sie schläft nur. Vermutlich hat man sie mit Laudanum oder etwas Ähnlichem betäubt. Kommen Sie, wir müssen uns sputen.«
Dagegen hatte Latimer nichts einzuwenden. Er machte kehrt und führte die beiden die Treppe hinunter. Artemas folgte ihm auf dem Fuße.
Als sie das Erdgeschoss erreicht hatten, merkten sie, dass sie zu den Letzten gehörten, die das Gebäude verließen. Rauch quoll aus der Küche.
»Sie haben es vielleicht ein wenig übertrieben, das Lampenöl in die Kochstellen zu gießen«, bemerkte Artemas.
»Sie haben mir nicht gesagt, welche Menge ich verwenden sollte«, brummte Latimer.
»Wie auch immer, es hat Wirkung gezeigt.«
Sie eilten durch den Garten auf die Gasse zu. Mehrere Menschen standen auf der Straße herum, doch die allgemeine Panik legte sich bereits. Dass keine Flammen zu sehen waren, war der Täuschung abträglich, dachte Artemas. Er bemerkte einen Mann, möglicherweise den Inhaber der Schänke, der sich vorsichtig wieder in das Gebäude hineinwagte.
»Jetzt aber schnell«, befahl Artemas.
»Jawohl, Sir.«
Die Kutsche stand genau dort, wo Artemas sie hinbestellt hatte. Anweisungen befolgte die Frau zumindest. Der Kurze Hans saß mit den Zügeln in der Hand auf dem Bock. Als Artemas sich näherte, flog die Tür der Kutsche auf.
»Sie haben sie!«, rief Madeline. »Gott sei gedankt!«
Sie half Artemas, Nellie durch die schmale Öffnung zu bekommen, dann sprang Latimer auf den Bock, um die Führung zu übernehmen.
Artemas, der Nellie durch die Tür geschoben hatte, wollte gerade selbst einsteigen.
»Keine Bewegung, du gemeiner Dieb. Sonst schieß ich dir in den Rücken.«
Artemas erkannte die Stimme wieder. Sie gehörte dem schmächtigen Mann.
»Latimer, Beeilung.« Artemas zwängte sich durch die Tür und zog sie hinter sich zu.
Er wollte gerade Madeline von ihrem Sitz auf den Boden zerren, damit man ihre Umrisse nicht durch das Fenster erkennen konnte. Doch aus irgendeinem unerfindlichen Grund widersetzte sie sich ihm. Artemas fühlte, wie sie sich ihm entwand, als die Kutsche losfuhr. Sie hob den Arm. Er sah eine kleine Pistole in ihrer Hand, nur wenige Zentimeter von seinem Ohr entfernt.
»Nein!«, schrie er. Doch er wusste, dass es zu spät war. Er ließ von ihr ab und bedeckte mit den Händen seine Ohren. Ein Lichtblitz schoss durch die Dunkelheit. In der kleinen Kutsche wirkte das Knallen der Pistole so laut wie Kanonenfeuer.
Artemas erkannte, dass sich die Kutsche ruckartig in Gang setzte, doch nahm er die dazugehörigen Geräusche der Räder und Hufe nur wie aus großer Entfernung wahr. Er öffnete die Augen und sah, dass Madeline besorgt auf ihn herabblickte. Ihre Lippen bewegten sich, doch konnte er kein Wort von dem verstehen, was sie sagte.
Sie rüttelte an seinen Schultern. Ihr Mund öffnete und schloss sich wieder. Ihm wurde klar, dass sie ihn fragte, ob alles in Ordnung sei.
»Nein«, erwiderte er. Jetzt nahm er ein Klingeln in den Ohren wahr. Er konnte seine eigene Lautstärke nicht
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