Heißes Versprechen
Eindruck feingliedriger Züge und leuchtender Augen.
»Was ist das?« Glenthorpe versuchte, das Gleichgewicht zu halten, und griff nach der Schulter seines Begleiters. »Wer ist dort?«
Erstaunlich schnell ließ der andere Mann die Laterne fallen, machte sich von Glenthorpe los und flüchtete die Gasse hinunter.
»Verfluchte Tat.« Artemas rannte ihm hinterher.
»Passen Sie auf, er wird eine Pistole haben«, rief Zachary.
Im selben Augenblick bemerkte Artemas, wie seine Beute den Arm bewegte. Ein schwaches Licht flackerte am Rohr der Waffe auf. Feuer flammte auf, als das Licht mit dem Pulver in Berührung kam. Der Schuss hallte laut in der Finsternis. Artemas hatte sich bereits geduckt und warf sich nun auf die dreckigen Pflastersteine. Er hatte ebenfalls seine Pistole gezogen, doch war ihm klar, dass der Schuss vermutlich ins Leere gehen würde, wie es bei dem des Schurken auch der Fall gewesen war. Aus dieser Entfernung waren Pistolen nicht zielgenau.
Er schnellte hoch und rannte die Gasse hinunter. Doch der Flüchtige war am Ende der Gasse bereits halb eine Wand hinaufgeklettert. Der Saum seines Capes wehte wie riesige, dunkle Schwingen.
Der Flüchtige kletterte eine Strickleiter hinauf. Jetzt wurde Artemas klar, dass der Täter sie bereits lange, bevor er Glenthorpe hierher gebracht hatte, aufgehängt haben musste. Er hatte für heute Nacht einen kaltblütigen Mord geplant und natürlich seinen Fluchtweg schon vorher geebnet.
Die Flügel des Capes waren noch einmal zu sehen, dann verschwand er durch ein Fenster.
Artemas ergriff das Ende des Seils, doch hatte der Verbrecher es bereits aus seiner Verankerung gelöst. Es fiel auf den Boden zu seinen Füßen. Die kleinen Befestigungshaken schepperten auf dem Stein.
Artemas wusste, dass seine Beute lange fort sein würde, ehe er die Leiter wieder würde befestigen können. »Mistkerl.«
Noch nicht einmal einen Blick aus der Nähe hatte er auf den Flüchtigen werfen können.
Doch Glenthorpe hatte ihn gesehen, ermahnte er sich. Und der Kurze Hans ebenso. Noch vor Morgengrauen würde er eine recht genaue Beschreibung des Gespenstes vorliegen haben. Zum ersten Mal überhaupt würden sie ein paar handfeste Fakten aus erster Hand bekommen. Endlich ein Schritt vorwärts.
Er drehte sich um und ging schnellen Schrittes zur Mündung der Gasse zurück, wo Zachary mit einem in sich zusammengesunkenen Glenthorpe wartete.
»Flood behauptet, Sie wollten uns einschüchtern.« Glenthorpe saß, die Hände zwischen den Knien, zusammengesunken in Artemas’ Bibliothek und stierte auf den Teppich. »Er meinte, es gäbe gar keinen unbekannten Täter und Oswynn sei tatsächlich von einem Straßenräuber umgebracht worden, ganz wie es auch in den Zeitungen gemeldet wurde. Seiner Meinung nach wollen Sie uns gar nicht umbringen, denn wir sollten unseren eigenen Ruin auskosten dürfen.«
Bernice hatte ihm Unmengen Tee eingeflößt, doch hatte es mehr als eine Stunde gedauert, ehe Glenthorpe wieder bei Sinnen gewesen war. Jetzt schien er bedrückt, doch hatte er endlich angefangen, in verständlichen Sätzen zu sprechen.
»Was mein Ziel betrifft, so hat Flood Recht«, erwiderte Artemas. »Aber er irrt sich bezüglich des Mörders. Sie selbst sind ihm heute Nacht begegnet. Er ist kein gewöhnlicher Straßenräuber. Ich möchte ganz genau erfahren, wie Ihr Treffen zustande gekommen ist. Wiederholen Sie jedes Wort, an das Sie sich aus Ihren Unterhaltungen mit ihm erinnern können.«
Glenthorpe verzog das Gesicht und rieb sich mit einer Hand die Schläfe. »An viel kann ich mich nicht erinnern. Ich hatte nicht übel getrunken, müssen Sie wissen. Ich wollte den Zustand meiner Finanzen vergessen. Irgendwann muss er sich wohl zu mir an den Tisch gesetzt haben. Ich erinnere mich, dass er etwas von einer Geldanlage erzählte, für die er sich interessierte.«
»Welcher Art war diese Geldanlage?«, erkundigte sich Madeline ruhig.
»Es hatte etwas mit dem Bau eines Schifffahrtkanals zu tun. An Einzelheiten kann ich mich nicht erinnern. Wir haben ein oder zwei Glas Wein zusammen getrunken, während er die Sache erläuterte. Es klang nach einer sehr günstigen Gelegenheit, eine Möglichkeit für mich, meine Verluste aus dem Goldminenvorhaben wieder wettzumachen.«
»Was hat er zu Ihnen gesagt, dass Sie mit ihm gegangen sind?«, fragte Artemas.
»Daran kann ich mich nicht genau erinnern. Irgendetwas von wegen wir müssten einen Ort finden, an dem wir ungestört unsere Geschäfte
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