Heißes Versprechen
offenbar, was gleich geschehen würde, und bemühte sich verzweifelt, aus der Kutsche zu entkommen. Seine Bewegungsfreiheit jedoch war durch seine gefesselten Hände und dem schwer auf ihm lastenden Körper Floods stark eingeschränkt.
Madeline fühlte, wie die Kutsche nach vorne schaukelte, als die verängstigten Pferde gemeinsam ein paar Schritte vorwärts sprangen, aber wieder anhielten. Der Kutscher fluchte unflätig und versuchte, die Tiere unter Kontrolle zu halten.
Sie ergriff ungelenk die Schulter des Kurzen Hans und zerrte ihn in Richtung der Tür, doch gelang es ihr nicht, ihn unter Flood hervorzuwuchten.
Der Kurze Hans starrte sie hilflos und verängstigt an. Er
wusste so gut wie sie, was geschah, wenn Pferde mit einer Kutsche samt Insassen durchbrannten. Genickbruch war keine Seltenheit.
Mittlerweile nervös geworden, beachtete Madeline die sich auf dem Boden windenden Männer nicht mehr, sondern kletterte zurück in die Kutsche. Die Pferde versuchten, sich schnaubend und schrill wiehernd ihrer Geschirre zu entledigen. Sie wusste, dass die Tiere jeden Moment durchzubrennen drohten.
Sie drückte sich gegen den Sitz, um Halt zu finden. Dann setzte sie die Sohle ihres Halbstiefels an Floods Rippen und trat so fest sie konnte zu. Die Kutsche setzte sich in Bewegung. Sie drückte fester. Endlich rührte sich Floods schwerer Körper, und es gelang dem Kurzen Hans, sich darunter hervorzuwinden. Sie packte ihn. Gemeinsam sprangen sie aus der an Fahrt gewinnenden Kutsche und rollten auf den harten Boden.
Die Kutsche donnerte nun die schmale Straße hinunter. An der Ecke bogen die Pferde nach links ab. Die schwere Kutsche schlingerte erst, dann überschlug sie sich krachend, und die Pferde rissen sich los. Wie von Sinnen preschten sie davon in die Dunkelheit. Die Räder der umgestürzten Kutsche drehten sich laut quietschend.
Madeline ergriff den Arm des Kurzen Hans, drehte sich um und sah, dass Keston sich von Artemas frei gemacht hatte. Sie erwartete, dass dieser in die Dunkelheit entfliehen würde. Stattdessen griff er in unbändiger Wut nach seinem in der Gosse liegenden Spazierstock.
Madeline glaubte, er wolle Artemas mit dem Stock einen Schlag versetzen, doch drehte er wie besessen an dessen Knauf. Im Laternenlicht sah sie eine lange, gefährliche Messerklinge heraustreten.
»Artemas!«
Doch der hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. Halb auf dem Boden liegend, versetzte er mit dem Stiefel Keston einen heftigen Tritt. Laut aufbrüllend fiel Keston auf den harten Stein.
In Sekundenschnelle warf sich Artemas über ihn. »O mein Gott, das Messer«, flüsterte sie.
Der Kurze Hans schlang seine Arme um sie und vergrub das Gesicht in ihrem Cape.
Der Kampf endete beängstigend abrupt. Beide Männer verharrten regungslos. Artemas lag unter Keston.
»Artemas!«, schrie Madeline. »Artemas!«
»O mein Gott!« Der Kurze Hans hob den Kopf und starrte die beiden Männer entsetzt an. »O mein Gott!« Es schien ihr eine Ewigkeit, bis Artemas sich rührte und sich von dem regungslosen Keston befreite. Im Laternenschein glitzerte Blut.
Madeline warf ihr Cape über den Kurzen Hans und versuchte instinktiv, ihn vor dem Anblick zu schützen. Artemas stand auf und sah zu ihr hinüber. Er schien sich des Blutes, das von dem Messer in seiner Hand troff, nicht bewusst zu sein.
»Sind Sie unverletzt?«, fragte er mit rauer Stimme.
»Ja?« Sie starrte auf das Messer. »Artemas, sind Sie ...?« Er blickte erst auf das Messer, dann auf Keston hinunter.
»Mir geht es gut«, sagte er leise.
Der Kurze Hans schob Madelines Cape beiseite. »Ist er tot?«
»Ja.« Artemas schleuderte das Messer weg, das scheppernd auf dem Boden aufschlug.
Madeline rannte auf ihn zu.
22. Kapitel
Wer hätte gedacht, Flood könne darin verwickelt sein?« Bernice schauderte. »Und ich hielt mich für besonders findig, dass ich das Schlafelixier in meine Handtasche gesteckt habe. Natürlich hätte es Keston trinken sollen und nicht Herr Flood.«
»Was zählt, ist, dass Flood es getrunken hat.« Artemas betrachtete das Glas Weinbrand, das er soeben für sich eingeschenkt hatte. »Ich für meinen Teil werde Weinbrand wohl nie wieder mit denselben Augen sehen können. Ich muss Ihnen nochmals danken, gnädige Frau. Genau wie ich Ihnen danken muss, Madeline, dass Sie den Kurzen Hans aus der Kutsche gerettet haben. Alles in allem blieb für mich herzlich wenig zu tun.«
Madeline musterte ihn. »Nehmen Sie das Geschehene nicht auf die leichte
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