Heißes Versprechen
mehr von Ihnen, als was man als vernünftiger Mensch von einer Geisteskranken erwarten würde.« Sie betrachtete weiterhin die Burg. »Ich möchte gerne, dass Sie mir dabei behilflich sind, einen Geist aufzufinden, Sir.«
Diese Bemerkung ließ er zunächst einige Zeit auf sich wirken. Dann atmete er langsam aus. »Ich kann nicht glauben, dass eine Dame Ihres Intellekts und Ihrer Bildung tatsächlich an Geister glaubt.«
Ihre Hände verkrampften sich. »An dieses bestimmte Gespenst jedoch könnte ich beinahe glauben.«
»Besitzt dieser Geist einen Namen?«
»Aber ja«, erwiderte sie leise. »Er hat einen Namen. Er heißt Renwick Deveridge.«
Vielleicht trafen die Gerüchte ja tatsächlich zu. Vielleicht war sie wirklich geistesgestört, eine Anwärterin für die Irrenanstalt. Plötzlich bemerkte Artemas die kühle Brise. Von der Themse her stieg Nebel auf und legte sich über die Gärten.
»Glauben Sie wirklich, dass Ihr verstorbener Gemahl aus dem Grab zurückgekehrt ist, um Sie zu verfolgen?«, hakte er vorsichtig nach.
»Kurz bevor er ... in diesem Feuer umgekommen ist, hat mein Mann geschworen, meine gesamte Familie umzubringen.«
»Gütiger Himmel.«
»Es ist ihm gelungen, meinen Vater zu ermorden.«
Artemas musterte sie eingehend. »Von Winton Reed wird behauptet, er sei an einem Herzinfarkt gestorben.«
»Es war Gift, Herr Hunt.« Sie sah zu ihm auf, dann wandte sie den Blick ab. »Meine Tante hat versucht, ihn zu retten, doch da mein Vater schon recht betagt war, hatte er ein schwaches Herz. Er starb wenige Stunden nach dem Brand.«
»Verstehe.« Er achtete darauf, seine Stimme teilnahmslos klingen zu lassen. »Wie ich annehme, haben Sie dafür keinerlei Beweise?«
»Überhaupt gar keine.«
»Hmm.«
»Sie glauben mir nicht, nicht wahr, Sir?« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das kann ich Ihnen nicht verübeln. Diejenigen, die behaupten, ich hätte meinen Mann umgebracht, argumentieren natürlich, dass meine Schuldgefühle mich dazu treiben, seinen Geist zu sehen.«
»Haben Sie seinen Geist gesehen?«
»Nein.« Sie zögerte. »Aber ich kenne jemanden, der ihn gesehen hat.«
Er fragte sich, ob sie vielleicht wirklich total übergeschnappt war. Oder war sie eine ausgefuchste Mörderin, die ihn für ein düsteres Vorhaben benutzen wollte? Was auch immer, diese Unterhaltung war alles andere als langweilig.
»Was geht denn Ihrer Ansicht nach hier vor, Frau Deveridge?«
»Ich weiß, es hört sich verrückt an, doch schien es mir in letzter Zeit möglich, dass mein Mann in jener Nacht gar nicht in den Flammen umgekommen ist.«
»Wie ich hörte, wurde Deveridges Leiche aus der Asche geborgen.«
»Richtig. Der Arzt hat ihn identifiziert. Aber was, wenn ...?«
»Was, wenn der Arzt sich geirrt hat? Ist es das, was Sie hatten sagen wollen?«
»Ja. Man hat mir gesagt, die Leiche sei verbrannt, jedoch nicht bis zur Unkenntlichkeit. Dennoch hätte ein Fehler unterlaufen können.« Plötzlich wandte sie ihm ihr Gesicht zu. Ihre Augen funkelten im Schein der Laternen. »So oder so muss ich einfach die Wahrheit herausbekommen, und zwar schnell. Sollte mein Mann noch am Leben sein, so muss ich davon ausgehen, dass er zurückgekehrt ist, um sich an meiner Familie zu rächen. Ich muss etwas tun, um meine Tante und mich zu schützen.«
Er betrachtete sie lange. »Und wenn es sich heraussteilen sollte, dass Sie tatsächlich das Opfer einer fieberhaften Einbildungskraft sind, Frau Deveridge? Was dann?«
»Beweisen Sie mir, dass ich zu Unrecht glaube, Renwick sei aus dem Grab zurückgekommen. Zeigen Sie mir, dass ich verrückt bin. Ich versichere Ihnen, Sir, nur zu gerne würde ich glauben, lediglich unter einem Nervenleiden zu leiden.«
Ihr Mund verzog sich grimmig. »In diesem Fall könnte man zumindest mit der Heilung beginnen. Meine Tante ist sehr geschickt im Herstellen von Elixieren für derartige Krankheitsbilder.«
Er dehnte langsam seine Hand. »Möglicherweise sollten Sie doch die Polizei verständigen, Frau Deveridge. Vielleicht kann Ihnen dort jemand behilflich sein.«
»Selbst wenn ich einen Polizisten davon überzeugen könnte, dass ich nicht verrückt bin, hätte er doch keinerlei Chance gegen jemanden, der ein Kenner in der Kunst des Vanza ist.«
»Deveridge war ein Kenner dieser Kunst?«
»Ja. Er war zwar kein Meister, was er anstrebte, doch war er recht gut geschult. Nachdem ich die Aufzeichnungen meines Vaters durchgelesen hatte, bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass es
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