Heißes Versprechen
sich weigerte, ihm die Dinge beizubringen, die er zur Entzifferung der altertümlichen okkulten Bücher benötigt hätte.«
»Deveridge ist doch aber glücklicherweise von einem Einbrecher ermordet worden, ehe er seine Rache vollziehen konnte«, bemerkte Artemas leise.
»Das ist richtig.« Madeline kreuzte seinen intensiven, direkten Blick. »Bernice hält es für nichts Geringeres als die Hand des Schicksals in Aktion.«
»Hmm.« Artemas nickte nachdenklich. »Das Schicksal bietet immer eine recht bequeme Erklärung für diese Art von Vorkommnissen, nicht wahr?«
Sie räusperte sich. »Allerdings, denn ich möchte nicht wissen, was geschehen wäre, wäre Renwick noch am Leben. Nach Papas Tod gäbe es niemanden mehr, der Bernice und mich vor ihm schützen würde.«
»Wenn Ihre Schilderung der Wahrheit entspricht, so kann ich Ihr Dilemma sehr gut nachvollziehen.«
Sie schloss für ein paar Sekunden die Augen, um Kraft zu sammeln. »Sie glauben mir nicht.«
»Sagen wir lieber, ich möchte mir mein endgültiges Urteil in dieser Angelegenheit noch Vorbehalten.«
»Mir ist durchaus bewusst, dass sich das alles recht merkwürdig anhören muss, Sir, doch entspricht es der Wahrheit.« Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. »Ich schwöre Ihnen, ich bin nicht verrückt. Die Dinge, von denen ich Ihnen erzählt habe, sind nicht das Resultat einer allzu lebhaften Vorstellungskraft. Sie müssen mir glauben.«
Er grübelte weiter vor sich hin. Dann stand er ohne ein Wort zu sagen auf und ging zu einem Tisch mit einer Weinbrandflasche hinüber. Er nahm die schwere Kristallkaraffe, entkorkte den Pfropfen und füllte ein Glas. Dann trug er das Glas zu ihr und legte eine ihrer Hände darum. »Trinken Sie.«
Das Glas fühlte sich in ihren Fingern kühl an. Sie betrachtete den Inhalt und war sich bewusst, dass ihre Gedanken erstarrt waren. Sie sagte das Einzige, was ihr durch den Kopf schoss: »Aber es ist doch erst elf Uhr am Vormittag, Sir. Um diese Stunde trinkt man noch keinen Weinbrand.«
»Sie wären erstaunt über das, was manche Menschen um elf Uhr morgens zu tun pflegen. Trinken Sie.«
»Sie sind ähnlich penetrant wie Bernice mit ihren Elixieren.« Sie setzte das Glas an die Lippen und nippte an dem Weinbrand. Er brannte ihr in der Kehle, doch war die folgende Hitze angenehm. So angenehm sogar, dass sie einen weiteren Schluck zu sich nahm.
»Und nun«, fuhr Artemas fort, »wollen wir zum Kern der Sache Vordringen. Seit dem Tod Ihres Mannes ist ein Jahr vergangen. Was ist, abgesehen von dem Vorkommnis gestern Abend in dem Geisterhaus, noch passiert, weswegen Sie glauben, Renwick Deveridge sei zurückgekehrt, um sich an Ihnen und den Ihren zu rächen?«
»Missverstehen Sie mich nicht, Sir.« Sie setzte das Glas geräuschvoll ab. »Es ist mir bewusst, dass Gerüchte kursieren, laut denen ich unter wilden und fieberhaften Visionen leide. Doch habe ich guten Grund zu der Annahme, dass etwas sehr Merkwürdiges vorgeht.«
Er lächelte schwach. »Wie ich sehe hat der Weinbrand eine wiederbelebende Wirkung auf Ihren Geist, gnädige Frau. Erzählen Sie mir vom Gespenst des Renwick Deveridge.«
Sie verschränkte die Arme unter den Brüsten und begann in der Bibliothek auf und ab zu laufen. »Ganz sicher bin ich nicht der Auffassung, dass Renwick Deveridge das Unmögliche getan und aus dem Grab wiedergekehrt ist, um uns zu verfolgen. Wenn er tatsächlich irgendwo dort draußen ist, so deshalb, weil es ihm gelungen ist, den Flammen zu entkommen. Ich habe Sie zwar gebeten, einen Geist zu verfolgen, doch glaube ich nicht wirklich an Gespenster.«
»Das glaube ich Ihnen.« Er lehnte sich mit einer Schulter gegen das Bücherregal und ließ sie nicht aus den Augen. »Gestatten Sie mir, meine Frage noch einmal anders zu formulieren. Welches Vorkommnis in letzter Zeit hat Ihre Angst vor Deveridge erneut geschürt?«
Das zu erklären würde sich als etwas verzwickt erweisen, dachte sie. »Vor einer Woche erhielt ich einen Brief eines
Kollegen meines Vaters. Er ist ebenfalls ein Kenner der alten Sprachen und ist der alten Sprache des Vanzagara mächtig.«
»Was stand in dem Brief?«
Sie richtete sich auf. »In seinem Brief berichtete er mir, er habe Renwick Deveridges Geist in seiner Bibliothek gesehen. Er war der Ansicht, mich über diesen Vorfall aufklären zu müssen.«
»Lieber Himmel.«
Sie seufzte. »Ich weiß, das klingt recht unwahrscheinlich, Sir. Doch müssen Sie es zumindest teilweise für bare Münze nehmen, sonst
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