Heißes Versprechen
Lorring, der uns die Kunst und die Philosophie zugänglich gemacht hat. Er war der Gründer und der erste Großmeister der Vanza-Gemeinschaft. Man könnte sagen, er habe ein gewisses Recht, eine solch hohe Meinung von sich selbst zu haben.«
»Ja, ja, ich weiß.« Linslade wehrte dies mit einer flatternden Handbewegung ab. »Niemand möchte ihm seinen Rang als Entdecker von Vanzagara streitig machen. Um die Wahrheit zu bekennen, hatte ich sogar gehofft, er würde mich nach seinem Tod aufsuchen. Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, war er kurz vor seinem Tod sehr krank. Er konnte während dieser Zeit nur wenige Besucher empfangen. Ich hatte niemals die Gelegenheit, ihn über ein gewisses Gerücht zu befragen, das mir kurz vor seinem Tod zufällig zu Ohren gekommen ist.«
»Um welches Gerücht handelt es sich?«, fragte Artemas.
»Sicherlich haben Sie auch davon vernommen, Sir?« Linslade blickte ihn an. »Vor einigen Monaten waren die Mitglieder der Vanza-Gemeinschaft überall mit Geschichten über den Diebstahl eines gewissen, sehr alten Buches beschäftigt.«
»Das Buch der Geheimnisse«, sagte Artemas. »Ja, davon habe ich gehört. Ich habe den Gerüchten jedoch nicht viel Bedeutung beigemessen.«
»Nein, natürlich nicht«, beeilte sich Linslade zu sagen. »Vollkommener Unsinn. Aber dennoch recht außerordentlich, finden Sie nicht? Es wäre aufschlussreich gewesen, Lorrings Meinung zu dieser Sache zu hören.«
»Von dem Wenigen zu urteilen, was mir zu Ohren gekommen ist«, begann Artemas, »wurde das Buch der Geheimnisse - so es denn jemals existiert haben sollte - in einem Feuer vernichtet, das die gesamte Villa Farrell Blues in Italien vernichtete.«
»Ja, ja, das ist mir bekannt.« Linslade seufzte. »Leider hat auch Blue mich nach seinem Tod nicht aufgesucht. Ich habe ihn also diesbezüglich nicht fragen können.«
Diese Unterhaltung führte nicht weiter, dachte Madeline. Es war an der Zeit, dass sie das Gespräch in die Hand nahm.
»Mylord, in Ihrem Brief bemerkten Sie, Sie hätten meinen verstorbenen Ehemann kürzlich gesehen.«
»Just hier in der Bibliothek.« Linslades fröhlicher Gesichtsausdruck wich einem sorgenvollen Stirnrunzeln. »Eine ziemliche Überraschung, wie Sie verstehen werden. Wir sind einander lediglich ein- oder zweimal begegnet, während er bei Ihrem Vater studiert hat. Wir waren also keineswegs das, was man als enge Freunde bezeichnen würde.«
Artemas streckte seine Beine aus und betrachtete die glän-zenden Stiefelspitzen. »Würden Sie ihn als Kollegen bezeichnen?«
»Zweifelsohne teilten wir ähnlich akademische Interessen, doch brachte Deveridge für meine Theorien und Meinungen keinerlei Interesse auf. Er machte sogar recht deutlich, dass er mich für einen greisen, tattrigen Dummkopf hielt. Ich empfand ihn als ausgesprochen unverschämt.«
Linslade unterbrach sich plötzlich und warf Madeline einen entschuldigenden Blick zu. »Entschuldigen Sie mich, meine Liebe. Ich wollte Ihren verstorbenen Ehemann nicht verurteilen.«
Sie zauberte ein kühles, flüchtiges Lächeln auf ihr Gesicht. »Wie Sie sicherlich wissen, war meine Ehe keine sehr glückliche Verbindung, Sir.«
»Ich gestehe, dass mir derlei Gerüchte zu Ohren gekommen sind.« Sympathie leuchtete in Linslades Augen auf. »Und wie ausgesprochen tragisch. Es tut mir so Leid, dass Sie nicht das gleiche Glück, sowohl körperlich als auch seelisch, haben erfahren können, das Lady Linslade und ich erfreulicherweise miteinander haben teilen dürfen.«
»Mir ist bekannt, dass derlei Glückseligkeit in einer Ehe die Ausnahme bildet«, erwiderte Madeline kurz angebunden. »Wenden wir uns doch der Unterhaltung zu, die Sie mit meinem Mann geführt haben. Wollen Sie uns davon berichten?«
»Selbstverständlich.« Linslade benetzte sich die Lippen. »Sie dauerte nicht lang. Genauer gesagt, um ein Haar wären wir einander überhaupt nicht begegnet. Es war der reine Zufall.«
Artemas blickte von seinen Stiefeln auf. »Wie meinen Sie das?«
»Es war schon recht spät, als Deveridge in der Bibliothek auftauchte. Im Haus waren alle bereits seit Stunden im Bett. Wenn mir in jener Nacht das Einschlafen nicht so schwer ge-fallen und ich deswegen heruntergekommen wäre, um ein Buch zu holen, wären wir einander überhaupt nicht begegnet.«
Madeline beugte sich leicht vor. »Was genau hat er Ihnen gegenüber geäußert, Sir?«
»Lassen Sie mich nachdenken.« Linslades Augenbrauen zogen sich zu einem grüblerischen Stirnrunzeln
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