Heißes Versprechen
zusammen. »Meiner Erinnerung zufolge habe ich als Erster gesprochen. Wir tauschten die üblichen Höflichkeiten miteinander aus. Ich sagte ihm, ich sei überrascht, ihn zu sehen, und erwähnte, dass ich von seinem Flammentod vor einem Jahr erfahren hätte.«
»Was meinte er dazu?«, fragte Artemas, mittlerweile von echter Neugier getrieben.
»Wie ich mich zu erinnern glaube, bemerkte er, es sei wirklich zu einem sehr ungelegenen Zeitpunkt geschehen.«
»Ungelegen?« Madeline fühlte, wie sich unter ihrem Kleid eisige Schweißtropfen bildeten. »Hat er dieses Wort benutzt?«
»Ja, da bin ich mir recht sicher.« Linslade rutschte verlegen auf seinem Stuhl herum und blickte sie beschwörend an. »Wie gesagt, wir unterhielten uns. Selbstverständlich habe ich ihm gegenüber die Gerüchte nicht erwähnt, die mir über die Art seines ... äh ... Ablebens zu Ohren gekommen sind.«
»Selbstverständlich nicht.« Madeline räusperte sich. »Sehr freundlich von Ihnen, diese unseligen Gerüchte unerwähnt zu lassen.«
»Den Toten gegenüber verhalte ich mich stets höflich«, versicherte ihr Linslade. »Sie ihrerseits scheinen das anzuerkennen. Seit langem bin ich der Auffassung, dass das, was zwischen Mann und Frau vorgeht, einzig und allein ihre Angelegenheit ist.«
Artemas blickte Linslade an. »Wie hat Deveridge reagiert, als Sie ihn angesprochen haben?«
»Zunächst schien er ein wenig überrascht zu sein.« Linslades Brauen schossen in die Höhe. »Es schien so, als ob er mich nicht erwartet habe. Warum dem so war, begreife ich nicht. Schließlich war er derjenige, der mich aufgesucht hat. Und er hielt sich in meiner Bibliothek auf.«
»Wohl wahr. Worüber haben Sie sich sonst noch unterhalten?«
»Ich habe mich erkundigt, ob er nach wie vor seine Studien der alten Sprachen fortsetzen würde, was er bejahte. Er fragte mich nach den Gerüchten um das Buch der Geheimnisse und ob ich auch das letzte Gerücht diesbezüglich vernommen hätte.«
»Welches war das?«, meldete sich Artemas fast gelangweilt.
»Man munkelt, das Buch der Geheimnisse habe das Feuer in Italien doch überlebt. Er habe gehört, die dort niedergeschriebenen Anweisungen seien nicht nur in der alten Sprache verfasst, sondern zusätzlich noch kodiert worden. Selbst für einen ausgewiesenen Gelehrten dieser Sprache sei es folglich höchst schwierig zu entziffern. Er schien damit andeuten zu wollen, dass man es erst würde deuten oder dechiffrieren müssen, ehe man mit der Übersetzung beginnen könne.«
Madelines behandschuhte Hand ballte sich zusammen. »Haben Sie das weiter kommentiert?«
Linslade schnaubte leise. »Ich habe ihm gesagt, jedes Gerede über das Buch der Geheimnisse sei nichts weiter als nichtige Gerüchte.«
»Hat er sonst noch etwas gesagt?« Madeline war sich des Zitterns in ihrer Stimme bewusst und biss die Zähne aufeinander.
»Nichts von Wichtigkeit. Wir haben uns noch kurz miteinander unterhalten, dann ist er gegangen.« Artemas blickte Madeline an. »Er bat mich, seine Person Ihnen gegenüber zu erwähnen, meine Liebe. Sagte etwas in Richtung, er wol-le nicht in Vergessenheit geraten. Deswegen habe ich Ihnen auch den Brief über unser Treffen zugehen lassen.«
Madeline hielt den Atem an. Nicht einmal mehr einen Finger konnte sie rühren. Sie merkte, dass Artemas sie mit einem geheimnisvollen, verstohlenen Blick maß, doch sie konnte ihm den Kopf nicht zuwenden.
Sie starrte Linslade an. Dieser Mann unterhielt sich regelmäßig mit Gespenstern. Ganz normal war er nicht. Andererseits machte er nicht den Eindruck, vollkommen verrückt zu sein. Wie viel seiner Erzählung mochte der Wahrheit entsprechen und wie viel seiner Fantasie entstammen? Wie sollte sie beides voneinander trennen?
Sie betrachtete das Porträt von Lady Linslade, auf dem sie in ihrem zwölf Jahre alten Kleid abgebildet war. Plötzlich hatte sie einen Einfall.
»Mylord«, begann sie behutsam, »eine Sache würde ich gerne erfahren. Wenn Sie dem Geist Ihrer Frau begegnen, wie ist sie da gekleidet?«
»Gekleidet? Nun, in einem recht ansehnlichen Kleid natürlich.« Linslade lächelte wohlwollend. »Lady Linslade besaß einen ausgesprochen vornehmen Geschmack.«
Madeline warf Artemas einen Blick zu. Er schien ihre Absicht erkannt zu haben, denn er neigte kaum wahrnehmbar den Kopf, um seiner Zustimmung Ausdruck zu verleihen.
»Kleidet sich Lady Linslade entsprechend der neuesten Mode?« Madeline hielt die Luft an.
Linslade schien zunächst
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