Heißes Versprechen
Artemas setzte sich. »Da wir gerade von Pitney sprechen, möchte ich Ihnen sagen, dass mich Ihre medi-zinischen Fähigkeiten sehr beeindruckt haben, Frau Reed. Madeline hat Recht, Sie kennen sich mit Kräutern wirklich ausgezeichnet aus.«
»Danke. Vor einigen Jahren hat Winton ein paar Bücher über Kräuter und Pflanzen der Insel Vanzagara mitgebracht. Ich habe viel Zeit zu deren Studium aufgewandt. Doch das ist es nicht, was ich heute mit Ihnen besprechen möchte.«
»Das hatte ich befürchtet.« Er nahm die Uhr mit dem Siegel vom Schreibtisch und fingerte abwesend damit herum. »Es geht um Madeline, nicht wahr?«
»Ja.«
Er betrachtete das Siegel, dann sah er ihr gerade ins Gesicht. »Sie machen sich wegen meiner Absichten Sorgen?«
Bernice hob die Augenbrauen. »Sie kommen gleich zum Kern der Sache, Sir.«
»Über dieses Thema habe ich selbst auch schon viel nachgedacht.«
Wut flammte in Bernice’ lebhaft leuchtenden Augen auf. »Das möchte ich hoffen. Denn schließlich, wenn ein Gentleman eine Dame verführt...«
Er erstarrte. »Sie hat Ihnen erzählt, ich hätte sie verführt?«
Bernice wischte die Frage mit einer knappen Handbewegung vom Tisch. »Das war nicht mehr vonnöten. Sowie ich sie beide heute beim Frühstück zusammen gesehen habe, war mir klar, dass etwas zwischen Ihnen vorgefallen sein musste. Ich bin mir der Tatsache wohl bewusst, dass mancher Gentleman Witwen als Freibeute betrachtet, doch muss ich zugeben, Sir, dass ich mir niemals hätte träumen lassen, Sie würden meine Nichte auf diese Art und Weise benutzen. Sie müssen wissen, dass sie trotz ihres Witwenstatus nur sehr begrenzt über Erfahrungen mit Männern verfügt.«
»Dessen bin ich mir wohl bewusst«, gab er mit zusammengebissenen Zähnen zurück.
Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu. »Ohne Frage.«
»Einen Moment bitte, gnädige Frau.« Artemas legte das Siegel beiseite, beugte sich vor und faltete die Hände auf dem Schreibtisch. »Ich bin nicht derjenige, den Sie überzeugen müssen. Ihre Nichte ist es, die sich weigert, die nunmehr existierende Situation mit der ihr gebührenden Ernsthaftigkeit zu erwägen. Noch heute Nachmittag, bevor wir in Pitneys Haus gegangen sind, habe ich die Angelegenheit mit ihr zu erörtern versucht, doch wollte sie nichts davon hören.«
»Wenn Ihre Absichten ehrwürdig sind, so ist es an Ihnen, die Führung zu übernehmen.«
»Meine Absichten?« Entnervt starrte er sie an. »Sie ist diejenige, die behauptet, es habe sich auf Grund der Vorkommnisse zwischen uns nichts geändert. Sie hat sich große Mühe gegeben, dieses zu betonen.«
»Unsinn, alles hat sich verändert. Sie beide haben eine Affäre miteinander.«
»Ihrer Meinung nach ändert das gar nichts. In den Augen der Welt fühlt sie sich heute nach wie vor genauso als die Verruchte Witwe, wie sie es gestern getan hat.«
»Nun ja, diesen Unsinn hat sie mir auch einreden wollen, doch das ist lächerlich. In meiner Familie scheren wir uns wenig um die Meinung, die andere von uns haben. Wir halten uns an die Tatsachen.« Bernice warf ihm einen grimmigen Blick zu. »Und die nackte Tatsache hier ist die, Sir, dass meine Nichte gestern noch eine unschuldige junge Frau war. Heute dagegen ist sie nicht mehr ganz so unschuldig, und das ist ganz allein Ihnen anzulasten.«
»Ich schlage vor, dass Sie ihr das sagen, Frau Reed. Mir jedenfalls wird sie diesbezüglich gewiss kein Gehör schenken.« Seine Augen wurden schmal. »Allmählich gelange ich sogar zu der Überzeugung, dass sie mich für ihre eigenen Zwecke missbraucht.«
Bernice riss die Augen auf. »Sie missbraucht?«
»Richtig. Um diesen verdammten Geist zu finden, der sie plagt. Sie behandelt mich wie einen Bediensteten, nicht wie einen Liebhaber.«
»Ich verstehe, was Sie sagen wollen.« Bernice kräuselte die Lippen. »Nun, und dann ist da ja noch die Angelegenheit mit Renwicks Geist, nicht wahr?«
Er wartete kurz, doch Bernice versuchte nicht, ihn von seiner Schlussfolgerung abzubringen. Er stand auf und trat ans Fenster. »Ich glaube nicht, dass sie eine gewisse Zuneigung mir gegenüber zugeben würde.«
»Haben Sie sich denn in dieser Richtung bereits erkundigt?«
»Es ist nicht nötig, mich mit einer direkten Frage diesbezüglich zu erkundigen«, entgegnete er leise. »Ihre Nichte hat deutlich klargestellt, dass sie einem jeden Gentleman, der in irgendeiner Verbindung zum Vanza steht, große Vorbehalte gegenüber hegt. Und es lässt sich unmöglich leugnen, dass
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