Heisskalte Glut
Gedanke, Mr. Pleasant zu verlieren, tat ihr wirklich weh. Ihr Leben hatte
sie mit einem Minimum an Optimismus ausgestattet, und so erwartete sie das
Schlimmste.
Detektiv Ambrose blieb tatsächlich am Ball.
Als sie nach ihrer Rückkehr den Anrufbeantworter abhörte, erwartete sie bereits
eine Nachricht von ihm: »Ich war bei Pleasants Haus, wo ich aber keinerlei
Anzeichen von ihm fand. Auch dort stapelt sich die Post, und die Nachbarn haben
ihn nicht gesehen.« Dann kam eine kurze Pause. »Er ist auch nirgendwo als
Todesfall registriert. Ich werde Sie über meine weitere Suche informieren.«
Er war verschwunden. Der Gedanke hallte wie ein Echo in ihrem
Kopf. Nach seiner Abreise aus Prescott hatte ihn niemand mehr gesehen.
Vorausgesetzt, er war überhaupt aus Prescott
abgereist.
Wut staute sich in ihr auf und verdrängte die
Trauer. Ihre Mutter und Guy hatten vor zwölf Jahren etwas angezettelt, das bis
heute seine zerstörerischen Schatten warf. Faith mußte zugeben, daß ihre
Mutter mit Mr. Pleasants Verschwinden nichts zu tun hatte, denn sie hatte den
Mann ja gar nicht gekannt. Dennoch war sie für die Wurzel dieses Übels
verantwortlich.
Faith ließ ihren Überlegungen immer gleich Taten folgen. Wütend
hob sie den Telefonhörer auf und wählte die Nummer ihrer Großmutter.
Am anderen Ende jedoch hörte sie nur endloses Klingeln. Es war
niemand zu Hause.
Sie versuchte es noch vier Mal, ehe die brüchige Stimme ihrer
Großmutter antwortete und Renee ans Telefon rief.
»Wer ist dran?« hörte sie Renee im Hintergrund fragen. »Eine
deiner Töchter, die Jüngste.«
»Ich will nicht mit ihr sprechen. Sag ihr einfach, ich bin nicht
da.«
Faiths Hand umklammerte den Hörer, und ihre
Augen wurden schmal. Sie hörte ihre Großmutter am
Hörer herumfummeln. Sie wartete die vorgeschobene Entschuldigung nicht ab,
sondern sagte: »Sag Mama, wenn sie nicht mit mir sprechen möchte, dann gehe ich
zur Polizei.« Das war zwar nur Bluff, aber immerhin gut kalkuliert. Renees
Reaktion darauf würde ihr viel verraten. Wenn ihre Mutter nichts zu verbergen
hatte, dann war die Drohung wirkungslos. Wenn sie jedoch .. .
Es entstand eine Pause, während die Nachricht weitergegeben
wurde, dann meldete sich Renee zu Wort. »Wovon in aller Welt sprichst du denn,
Faithie? Was hat denn die Polizei hier zu suchen?« Der Tonfall war zu
freundlich, zu fröhlich.
»Ich spreche von Guy Rouillard, Mama ...«
»Würdest du jetzt bitte endlich mit Guy Rouillard aufhören? Wie
ich dir schon sagte, habe ich ihn nicht gesehen.«
Faith kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit
an und sagte in beruhigendem Tonfall: »Das weiß ich doch, Mama. Ich glaube dir.
Aber meiner Ansicht nach ist ihm in der Nacht, wo du verschwunden bist, etwas
zugestoßen.« Man durfte ihre Mutter nicht merken lassen, daß man sie irgendwie
verdächtigte, sonst würde sie sich noch fester als das Portemonnaie eines
Geizkragens verschließen.
»Davon habe ich nicht die geringste Ahnung. Wenn du so schlau
bist, wie du glaubst, mein Fräulein, dann steck deine Nase besser nicht ständig
in anderer Leute Angelegenheiten.«
»Wo hast du dich denn an dem Abend mit ihm getroffen, Mama?«
fragte Faith, ohne auf den mütterlichen Ratschlag einzugehen.
»Ich weiß gar nicht, warum du dir so viele Sorgen um ihn machst«,
erwiderte Renee verstockt. »Wenn er seine Pflicht mir gegenüber erfüllt hätte,
wäre ich versorgt gewesen. Und ihr Kinder auch«, fügte sie noch an. »Er hat es
aber immer weiter aufgeschoben, wollte warten, bis Gray die Schule beendet hatte
– na ja, jetzt ist es auch egal.«
»Seid ihr ins Motel gegangen? Oder habt ihr euch woanders
getroffen?«
Renee atmete scharf ein. »Du bist wirklich
stur, wenn du dir mal etwas in den Kopf gesetzt hast, weißt du das eigentlich?
Du warst von allen immer schon die Hartnäckigste. Du warst so überzeugt von
dem, was du vorhattest, daß du sogar dann nicht locker gelassen hast, wenn du
schon vorher wußtest, daß dein Vater dich dafür vertrimmen würde. Wir haben uns
an dem Abend im Sommerhaus getroffen, wenn du es unbedingt wissen mußt. Dorthin
sind wir fast immer zu unseren Verabredungen gefahren. Wenn du jetzt da
rumschnüffelst, wirst du merken, daß mit Gray nicht halb so gut Kirschenessen
ist wie damals mit Guy.«
Als Renee den Hörer aufknallte, zuckte Faith zusammen, atmete
zitternd ein und legte auf. Was auch immer in der Nacht geschehen war, Renee
wußte Bescheid. Nur ihr Eigeninteresse konnte sie zu
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