Heisskalte Glut
seiner Stiefel hallten auf dem Parkett.
Monica folgte ihm auf den Fersen. Sie betrat das Arbeitszimmer, als er bereits
die Papiere auf Guys Schreibtisch durchsuchte.
»Ich glaube, Alex hat dir, was dieses Pokerspiel angeht, nicht die
Wahrheit gesagt«, flüsterte sie mit leicht zitternden Lippen. »Ruf ihn noch einmal
an, Gray. Er soll dir sagen, wo Papa ist.«
»Gleich«, murmelte Gray und sah noch nicht
einmal zu ihr auf. Keines der Papiere auf dem Schreibtisch war eine Vollmacht.
Er öffnete die Schubladen.
»Gray!« Ihre Stimme wurde lauter. »Sicherlich ist es wichtiger,
Papa zu finden, als seine Papiere zu durchsuchen!«
Er hielt inne, holte tief Luft und richtete sich auf. »Monica,
meine Liebe, setz dich hier hin und sei still«, sagte er in einem freundlichen,
aber äußerst bestimmten Tonfall. »Ich suche ein sehr wichtiges Dokument, das
Papa möglicherweise hier hinterlassen hat. Ich bin gleich für dich da.«
Sie wollte gerade noch etwas anfügen, als sein Blick sie eines
Besseren belehrte. Erstaunt setzte sie sich hin, während Gray seine Suche
fortsetzte.
Fünf Minuten später lehnte er sich bitter
enttäuscht zurück. Kein Brief zu finden. Das alles ergab keinen Sinn. Warum
hatte Guy sich die Mühe gemacht, ihm alles beizubringen, wenn er dann ohne eine
Vollmacht gegangen war? Wie Alex schon bemerkt hatte, war Guy viel zu klever,
als daß er das vergessen hätte. Und wenn er die Zügel weiter selbst in der Hand
behalten wollte, warum hatte er dann Gray so gründlich alles beigebracht?
Vielleicht hatte er ja die Führung auf Gray übertragen wollen, es sich dann
aber doch anders überlegt. Das war die einzig sinnvolle Erklärung. In diesem
Fall würden sie innerhalb der nächsten Tage von ihm hören, denn seine
finanziellen Geschäfte waren zu komplex, als daß er sie für längere Zeit
schleifen lassen könnte.
Dennoch, wie er schon Alex gegenüber gesagt hatte, durfte Gray
nicht einfach annehmen, daß sich die Dinge von alleine richten würden. Er
konnte sich nicht vorstellen, daß Guy sich nicht um die Geschäfte kümmerte.
Aber andererseits hatte er sich bis heute morgen auch nicht vorstellen können,
daß Guy sie alle für Renee Devlin im Stich ließ. Das Unmögliche war wahr
geworden. Wie also sollte er noch all die anderen Dinge über seinen Vater
glauben, die er bis jetzt für unumstößlich gehalten hatte? Die Verantwortung für seine Mutter und seine
Schwester lag nun auf seinen Schultern. Er durfte es nicht riskieren, sie zu
Sozialfällen zu machen.
Als er nach dem Telefon greifen wollte, stand es nicht an seinem
Platz. Vage erinnerte er sich daran, daß er es aus dem Fenster geschmissen
hatte, das nun, mit einer Pappe versehen, auf eine neue Scheibe wartete. Er
verließ das Zimmer und ging die Diele hinunter zu dem Telefon am Fuße der
Treppe. Monica trottete hinter ihm her. Es war offensichtlich, daß sie seine
Anordnung zu schweigen mißbilligte.
Als erstes rief er Alex an, der gleich nach dem ersten Klingeln
abnahm. »Kein Brief«, gab Gray knapp bekannt. »Sieh zu, ob du für mich eine
Vollmacht erreichen kannst. Oder sonst irgend etwas, das meine Position
festigt.« Die Vollmacht wäre ein Riesenschritt gewesen, vielleicht konnten sie
ja hier und dort ihre Beziehungen spielen lassen.
»Damit habe ich schon begonnen«, erwiderte
Alex leise.
Danach rief Gray seinen Börsenmakler an. Seine Anweisung war kurz
und bündig. Wenn es hart auf hart kam, dann brauchte er jedes bißchen Bargeld,
das er zusammenkratzen konnte.
Und dann kam das Schwierigste überhaupt. Monica starrte ihn voller
Entsetzen aus ihren dunklen Augen an. »Da stimmt doch etwas nicht, nicht wahr?«
fragte sie.
Innerlich richtete er sich auf, dann nahm er Monicas Hand. »Laß
uns mit Mama reden«, sagte er.
Sie wollte noch etwas fragen, aber er schüttelte den Kopf. »Ich
erzähle es nur einmal«, erwiderte er mit brüchiger Stimme.
Noelle trank gerade ihre letzte Tasse Tee und
las den Lokalteil einer Zeitung aus New Orleans. Prescott hatte seine eigene
kleine Wochenzeitung, in der sie regelmäßig erwähnt wurde, aber nur eine
Erwähnung in New Orleans zählte wirklich. Ihr Name wurde dort so häufig
gedruckt, daß es ihr alle in Prescott neideten. Sie trug ihr weißes
Lieblingskleid und hatte die dunklen,
glatten Haare zu einem Knoten hochgesteckt. Ihr Make-up war dezent, aber
perfekt, ihr Schmuck kostbar, aber schlicht. Nichts an Noelle war übertrieben
oder frivol, keine bunte Rüsche tanzte aus der
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