Heisskalte Glut
übers Herz, ihr zu
sagen, daß ihnen das finanzielle Fiasko drohte. »Ich weiß, wie sehr es jetzt
weh tut. Aber wir werden durchkommen.«
»Ich hasse ihn«, sagte Monica mit tränenerstickter Stimme. »Er hat
uns wegen dieser ... dieser Hure verlassen! Ich hoffe nur, daß er nicht
zurückkehrt. Ich hasse ihn. Ich will ihn niemals wiedersehen!« Sie riß sich
abrupt von Gray los und stieß beim Aufstehen den Stuhl um. Laut schluchzend
verließ sie das Zimmer. Noch als sie schon die Treppe hinaufrannte, konnte er
ihr Schluchzen hören. Das Zuknallen ihrer Zimmertür hallte durch das ganze
Haus.
Gray hätte gerne sein Gesicht in den Händen
vergraben. Er wollte auf etwas einschlagen, vorzugsweise auf die Nase seines
Vaters. Er wollte seine Wut herausschreien. Die Lage war ohnehin schlimm genug,
warum mußte Noelle sie noch dadurch verschlimmern, daß sie sich lediglich
darum sorgte, was ihre Freunde sagen würden? Warum konnte sie nicht einmal
ihrer Tochter tröstend zur Seite stehen? Merkte sie denn gar nicht, wie sehr
Monica sie jetzt brauchte? Aber sie war nie für sie dagewesen, warum sollte es
jetzt plötzlich anders sein? Im Gegensatz zu dem Guys erwies sich Noelles
Verhalten als vollkommen vorhersagbar.
Er brauchte jetzt einen Drink, und zwar einen
doppelten. Er ging zurück in das Arbeitszimmer zu der Flasche Scotch, die Guy
in dem Schrank hinter seinem Schreibtisch aufbewahrte. Oriane, ihre langjährige
Hausangestellte, die gerade mit Handtüchern beladen die Treppe hinaufging,
warf ihm einen neugierigen Blick zu. Da sie nicht taub war, hatte sie die
Unterhaltung zumindest bruchstückhaft mitbekommen. Die Gerüchteküche zwischen
Oriane, ihrem Mann Garron, der sich um das Grundstück kümmerte, und Delfina,
der Köchin, würde heißlaufen. Natürlich würde man sie einweihen müssen, nur
konnte sich Gray im Moment noch nicht dazu durchringen. Vielleicht, nachdem er
sich etwas von diesem Scotch gegönnt hatte.
Er öffnete den Schrank, holte die Flasche
hervor und schüttete ein paar Zentimeter des bernsteinfarbenen Getränks in ein
Glas. Der rauchige, scharfe Geschmack biß ihm beim ersten Schluck in die Zunge.
Dann spülte er den Rest mit einer eleganten Handbewegung hinunter. Er suchte
die beruhigende Wirkung, nicht den Geschmack. Er hatte sich gerade ein zweites
Glas eingeschenkt, als von oben ein schriller Schrei ertönte. Dann rief Oriane
wieder und wieder seinen Namen.
Monica. Sowie er Orianes Schrei vernommen hatte, wußte Gray Bescheid. Mit
vor Entsetzen verengter Brust rannte er, immer drei Stufen auf einmal nehmend,
die Treppe hoch. Seine langen, kräftigen Beine trieben ihn hinauf. Oriane kam
ihm im Gang mit panisch aufgerissenen Augen entgegen. »Sie hat sich
geschnitten, sehr schlimm sogar! 0 mein Gott, o mein Gott! Das ganze Zimmer ist
voll Blut ...«
Gray schob sie zur Seite und rannte in Monicas Schlafzimmer. Dort
war sie nicht, aber die Tür zu ihrem Badezimmer stand offen. Er raste darauf
zu. Im Türrahmen jedoch erstarrte er zu einer Salzsäule.
Monica hatte sich ihr Badezimmer selbst eingerichtet. Zarte
Rosatöne wechselten mit perligem Weiß, was ein wenig lächerlich mädchenhaft
wirkte. Normalerweise erinnerte es Gray an Zuckerwatte, aber jetzt war der rosa
Kachelboden von dunkelroten Flecken bedeckt. Monica saß ganz ruhig auf dem
rosa Plüschdeckel der Toilette und starrte mit großen, dunklen Augen aus dem
Fenster. Ihre Hände hatte sie artig auf dem Schoß gefaltet. Stoßweise rann das
Blut aus den tiefen Einschnitten, die sie beiden Handgelenken zugefügt hatte.
Das Blut füllte ihren Schoß, rann dann ihre Beine hinunter und bildete unten
auf dem Boden eine Pfütze.
»Tut mir leid wegen all der Aufregung«, sagte sie mit einer
gespenstisch weit entfernten Stimme. »Ich hatte nicht damit gerechnet, daß
Oriane neue Handtücher bringen würde.«
»Himmel«, stöhnte er und raffte ein paar der Handtücher zusammen,
die Oriane fallengelassen hatte. Er kniete sich neben Monica und ergriff ihren
linken Arm. »Verdammt, Monica, den Hintern sollte ich dir versohlen!« Er
umwickelte ihr Handgelenk mit einem Handtuch, dann band er noch eines so fest
er konnte darum.
»Laß mich doch einfach in Ruhe«, flüsterte
sie und wollte sich ihm entwinden. Aber sie war bereits beängstigend schwach.
»Halt den Mund!« bellte er, nahm ihr rechtes Handgelenk und unterzog
es derselben Behandlung. »Verdammt noch mal, wie konntest du nur etwas so Blödsinniges
tun?« Nach all dem, was er heute
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