Heisskalte Glut
brauche ein paar Laken.
Leg eines auf den Rücksitz meines Wagens und das andere über Monica. Gray,
nehmen Sie sie wieder auf den Arm, aber Vorsicht mit der Kanüle. Sadie Lee,
rufen Sie das Krankenhaus an und sagen Sie Bescheid, daß wir kommen. Und dann
rufen Sie die Polizei an, damit sie die Straßen etwas absperren.«
Vorsichtig hob Gray seine Schwester hoch. Dr. Bogarde nahm den
Infusionsbeutel in die eine Hand und seine Behandlungstasche in die andere und
lief neben Gray her, der Monica zu dem viertürigen Chrysler des Arztes trug.
Der Arzt stieg als erster ein, dann half er Gray, Monica vorsichtig auf den
Rücksitz zu legen. Dr. Bogarde hängte den Infusionsbeutel an den Mantelhaken
und kniete sich auf den Boden.
»Lassen Sie uns hier hinten nicht herumpurzeln«, wies er Gray an,
der seinen langen Körper hinter das Steuer zwängte. Dr. Bogarde war ungefähr
einssechzig, so daß der Sitz ganz nah zum Lenkrad vorgezogen war und Grays
Brust einklemmte. Er konnte den Sitz jedoch nicht nach hinten schieben, weil
dort der Arzt auf dem Fußboden kniete. »Fahren Sie lieber gleichmäßig zügig,
dann schaffen wir es. Und stellen Sie den Alarm an.«
Gray unterdrückte seine Ungeduld und verließ
wie geheißen die Klinik weniger schnell, als er eben gekommen war. Sein Gefühl
sagte ihm, daß er das Gaspedal durchtreten und in dieser Position belassen
sollte. Lediglich der Gedanke daran, daß der geräumige Wagen mehr für bequemes,
denn für schnelles Fahren gebaut war und möglicherweise aus der Kurve fliegen
würde, wenn er ihn wie seine Corvette behandelte, ließ ihn ein vernünftiges
Tempo halten.
»Wie ist das passiert?« fragte Dr. Bogarde.
Gray blickte ihn durch den Rückspiegel
hindurch an. Der Doktor war ein kleiner, drahtiger Mann mit schlauen blauen
Augen. Seinem Namen zum Trotz war er weder ein Kreole noch ein Cajun. Er war
vielleicht Mitte Fünfzig und hatte ergrauendes, sandblondes Haar. Gray kannte
ihn seit seiner Kindheit. Noelle hatte ihn niemals aufgesucht, sondern einen
Stadtarzt in New Orleans bevorzugt. Aber der Rest der Familie hatte alles, von
kleinen Verletzungen über Grippe bis zu dem gebrochenen Arm, den sich Gray als
Teenager zugezogen hatte, von ihm behandeln lassen.
Gray wollte ihm nicht zuviel sagen. Er zog es
vor, die Details noch ein wenig zu verschweigen, bis sein Makler Zeit gehabt
hatte, die Aktien zu verkaufen, und Alex sich um die rechtlichen Belange hatte
kümmern können. Aber es würde nicht möglich sein, die Neuigkeiten vollkommen
unter der Decke zu halten. Er informierte also Dr. Bogarde über den Kern der
Sache, schließlich das einzig Ausschlaggebende. »Vater und Mutter haben sich
getrennt. Monica ...« Er zögerte.
Dr. Bogarde seufzte. »Ich verstehe.« Es war allgemein bekannt,
wie sehr Monica an Guy hing.
Gray konzentrierte sich auf die Straße. Die Stoßdämpfer des
Chryslers glichen die holprigen Straßen aus, und die Reifen summten auf dem
Teer. Er verspürte wieder dasselbe Gefühl der Irrealität wie schon zuvor. Die
Sonne schien heiß durch die Fenster und brannte auf seinen Jeans. Hohe
Tannen rauschten an ihnen vorbei. Der Himmel über ihnen war strahlend blau. Es
war Hochsommer, und alles war ihm so vertraut wie sein eigenes Gesicht. Das war
es, was so merkwürdig war. Wie konnte denn alles noch genauso sein, wenn doch
seine Welt heute in tausend Stücke zersprungen war?
Auf dem Rücksitz überprüfte Dr. Bogarde Monicas Puls und
Blutdruck. »Gray«, sagte er leise, »Sie sollten doch schneller fahren.«
5
Um halb elf
Uhr nachts verließen Gray und Dr. Bogarde das Krankenhaus von Baton Rouge.
Grays Augen brannten vor Müdigkeit. Die emotionalen Belastungen des vergangenen
Tages hatten ihn vollkommen durcheinandergebracht. Man hatte Monica
schließlich stabilisieren können. Sie war operiert und in künstlichen Schlaf
versetzt worden. Kurz nach der Einlieferung ins Krankenhaus war ihr Herz
stehengeblieben, aber die Notaufnahme hatte es binnen kürzester Zeit wieder zum
Schlagen gebracht. Sie hatte vier Bluttransfusionen erhalten, zwei vor und
zwei während der Operation. Der operierende Arzt glaubte, daß an ihrem rechten
Handgelenk mit keinerlei bleibenden Schäden zu rechnen wäre, schloß aber
Bewegungseinschränkungen am linken Gelenk aufgrund der Sehnenverletzungen
nicht aus.
Für Gray allerdings war nur
eines wichtig: daß sie lebte. Als man sie von der Intensivstation in das
Privatzimmer verlegte, das ihr Gray besorgt, hatte, war sie für ein
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