Heisskalte Glut
nagelneu und sein Schlips nicht so makellos
gewesen wären. An Francis Pleasant sah ein solcher Anzug einfach gut aus. Seine
Augen blickten nicht mehr ganz so traurig, ein Anflug von Neugier schimmerte in
ihnen.
Sie saßen in Faiths klimatisiertem Wohnzimmer.
Faith war von seinem Anruf bereits zwei Tage nach ihrer Auftragserteilung
überrascht gewesen. Aber nun war er hier und hatte auf seinen Knien einen Block
plaziert.
»Seit der Nacht seines Verschwindens findet sich keinerlei Spur
mehr von ihm«, sagte er. »Keine Einkäufe per Kreditkarte, keine
Bankabbuchungen, keine eingezahlten Sozialleistungen noch irgendwelche
Einkommensteuerbescheide. Mr. Rouillard war kein Krimineller, er mußte also
weder seinen Namen ändern noch vollkommen von der Bildfläche verschwinden. Die
logische Schlußfolgerung ist die, daß er tot ist.«
Faith atmete tief durch. »Das habe ich mir auch gedacht. Ich
wollte jedoch sichergehen, bevor ich hier in der Gegend Fragen stelle.«
»Ist Ihnen klar, daß im Falle seines gewaltsamen Todes Ihre Fragen
jemanden sehr ängstigen könnten?« Er nippte nochmals an seinem Tee. »Die
Situation könnte gefährlich für Sie werden, meine Liebe. Vielleicht wäre es
besser, die schlafenden Hunde nicht zu wecken.«
»An eine mögliche Gefahr habe ich auch schon
gedacht«, gab sie zu. »Aber meine Mutter hatte schließlich eine Beziehung mit
ihm und jeder hier glaubt, daß sie mit ihm durchgebrannt ist. Da wird sich doch
niemand über mein Interesse an der Sache wundern. Über meine Dreistigkeit
vielleicht, aber nicht über mein Interesse.«
Er lachte. »Das kommt ganz auf die Art der
Fragen an. Wenn Sie gleich damit ins Haus fallen und behaupten, daß Guy Rouillard
ermordet wurde, würde das jede Menge Aufsehen erregen.« Er richtete sich auf,
und seine Stimme wurde verbindlicher. »Ich rate Ihnen, die Sache zu begraben.
Wenn es tatsächlich Mord war, dann liegt er jetzt zwölf Jahre zurück. Die Zeit
verwischt eine Menge Spuren. Sie haben keinerlei Anhaltspunkte, wo Sie mit der
Suche beginnen sollen. Sie werden vermutlich nichts finden, aber sich trotzdem
in Gefahr begeben.«
»Ich soll noch nicht einmal versuchen, die Wahrheit herauszufinden?«
fragte sie leise. »Darf denn ein Mord ungesühnt bleiben?«
»Sie denken an die Gerechtigkeit. Eine
wunderbare Idee, wenn man die dazugehörigen Mittel hat, sie durchzusetzen.
Manchmal jedoch muß man die Gerechtigkeit gegen andere Faktoren abwägen. Die
Realität macht einem ganz einfach einen Strich durch die Rechnung. Vermutlich
ist Mr. Rouillard ermordet worden. Vermutlich hatte Ihre Mutter etwas damit zu
tun, wenn auch nur als Mitwisserin. Könnten Sie das ertragen? Und wenn nun
sein Tod lediglich ein Unfall war und sie wegen Mordes vor Gericht kommt? Gray
Rouillard ist ein einflußreicher Mann. Glauben Sie etwa, er würde den Tod
seines Vaters ungesühnt lassen? Der schlimmste Fall wäre allerdings der, daß
sein Tod kein Unfall war. In diesem Falle, meine Liebe, würden Sie sich ganz ohne
Frage selbst in Gefahr begeben.«
Sie seufzte. »Meine Beweggründe,
herauszufinden, was ihm wirklich zugestoßen ist, sind nicht ganz uneigennützig.
Ich möchte hier leben. Hier ist meine Heimat, hier bin ich aufgewachsen. Ich
werde aber hier so lange nicht geachtet sein, wie jedermann glaubt, daß Guy mit
meiner Mutter durchgebrannt ist. Die Rouillards wollen mich hier nicht. Gray
erschwert mir die Dinge, wo er nur kann. In Prescott kann ich weder einkaufen
noch tanken. Wenn ich nicht beweisen kann, daß meine Mutter mit Guy Rouillards
Verschwinden nichts zu tun hat, dann werde ich hier niemals irgendwelche
Freunde haben.«
»Was, wenn Sie Beweise dafür finden, daß sie ihn umgebracht hat?«
fragte Pleasant leise.
Faith biß sich auf die Unterlippe und rollte das feuchte Glas
zwischen ihren Handflächen. »Mit dieser Möglichkeit muß ich rechnen«, erwiderte
sie kaum hörbar. »Wenn meine Mutter an seinem Tod schuld ist, dann kann ich
nicht länger hier leben. Aber der Wahrheit ins Auge zu blicken, ganz gleich wie
schrecklich, ist nicht halb so schlimm, wie ihr aus dem Wege zu gehen.
Vielleicht finde ich ja auch gar nichts heraus, aber versuchen werde ich es.«
Er seufzte. »Ich habe mir gedacht, daß Sie das
sagen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern hier in der Gegend ein
paar Nachfragen anstellen, nur aus Neugier. Die Leute erzählen mir vielleicht
ein paar Dinge, die Sie nicht erfahren würden.«
Damit konnte er recht haben. Jetzt, wo
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