Held von Garathorm
noch auf Garathorm lebten. Trotzdem schien Ilian ein angeborenes Talent für den Umgang mit Waffen zu haben. Sie beherrschte Schwert- und Axtkampf bald so, als hätte sie zeit ihres Lebens nichts anderes geübt. Es erfüllte sie mit tiefer Befriedigung, alles zu lernen, was Katinka van Bak sie lehren konnte. So glücklich ihre Kindheit gewesen war, schien ihr doch irgend etwas gefehlt zu haben - das sie nun, in ihren Mädchenjahren, errungen hatte.
Ihr Vater amüsierte sich über ihre Begeisterung für diese archaische Beschäftigung, die sich als ansteckend für viele der jungen Leute am Hof erwies. Schließlich gab es mehrere hundert Mädchen und Burschen, die mit Schwert und Schild umzugehen wußten, und bei keiner Feierlichkeit fehlte nun ein ritterliches Turnier.
Vielleicht war es gar kein Zufall gewesen, sondern der Eingriff des Schicksals, das für eine kleine, aber ungemein waffengewandte Armee gesorgt hatte, die sich gegen Ymryl bei dessen Erscheinen stellen konnte.
Ymryl war plötzlich aufgetaucht. Nur ein paar Gerüchte kamen vor ihm auf dem Hof an. König Pyran hatte sofort Späher ausgeschickt, um sich zu vergewissern, inwieweit die beunruhigenden Berichte aus den fernen Gebieten des Kontinents auf Wahrheit beruhten. Aber noch ehe die Kundschafter zurückkehrten, war Ymryl bereits angerückt. Es stellte sich später heraus, daß sein Trupp nur Teil einer größeren Armee war, die über ganz Garathorm dahingefegt war und alle der Provinzstädte innerhalb von wenigen Wochen eingenommen hatte. Anfangs dachte man, er stamme von einem bisher unbekannten Land jenseits des Meeres, aber es gab keinerlei Beweise dafür. Daraufhin schloß man, daß Ymryl und seine Kumpane genau wie Katinka van Bak auf geheimnisvolle, unerklärliche Weise nach Garathorm gekommen waren, um so mehr, da sie offenbar selbst nicht wußten, wie sie hierhergeraten waren. Aber die Überlegungen, was sie hierhergebracht hatte, wurden unwichtig. Man mußte sich völlig darauf konzentrieren, sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Die Wissenschaftler wurden beauftragt, neue Waffen zu erfinden, und die Techniker, sie zu entwickeln und selbst wirkungsvolle Methoden zur Vernichtung des Feindes zu ersinnen. Doch sie waren es nicht gewöhnt, sich mit kriegerischen Dingen zu befassen, und deshalb war die Produktion von Waffen nicht ausreichend. Katinka van Bak, Ilian und etwa zweihundert weitere trafen sich gegen Ymryls bunt zusammengewürfelte Armee und erzielten auch einige Siege in kleineren Scharmützeln. Aber als Ymryl soweit war, die baumgeschützte Stadt Virinthorm anzugreifen, tat er es, ohne daß es gelang, ihn aufzuhalten. Zu zwei Schlachten kam es auf einer großen Lichtung außerhalb der Stadt. Bei der ersten Schlacht holte König Pyran die alte Kriegsflagge seiner Ahnen hervor - die brennende Fahne, die in einem seltsamen Feuer flammte und aus unvernichtbarem Stoff gefertigt war. Mit diesem Banner in seiner eigenen Hand ritt er Ymryl an der Spitze eines Heeres von armselig bewaffneten und unausgebildeten Bürgern entgegen. König Pyran wurde mit seinen Leuten niedergemetzelt. Ilian gelang es noch, die flammende Standarte aus der toten Hand zu ziehen, ehe sie mit dem Rest ihrer eigenen, im Kampf geübten Krieger flüchtete - jener Mädchen und Burschen, die sich wie sie für die Kriegskunst begeistert und sie für sich zum Sport gemacht hatten.
Dann kam es zur zweiten und letzten Schlacht, in der Ilian und Katinka van Bak ein paar hundert Überlebende gegen Ymryl führten. Sie hatten sich großartig gehalten, und viele der Invasoren waren unter ihren Klingen gefallen, aber schließlich war die Übermacht der Ymrylarmee doch zu erdrückend. Ilian war nicht sicher, ob überhaupt jemandem aus ihren Reihen die Flucht geglückt war. So wie es aussah, waren sie und Katinka van Bak die einzigen Überlebenden gewesen.
Man hatte sie beide gefangengenommen. Ymryl hatte nicht nur ein wildes Verlangen nach ihr empfunden, sondern auch sofort erkannt, daß er, mit ihr an seiner Seite, keine Schwierigkeiten habe würde, über jene Bürger zu herrschen, die sich immer noch in den Wäldern jenseits von Virinthorm versteckten und des Nachts hervorkamen, um seine Männer im Schlaf zu töten.
Als sie sich weigerte, ihm zu Willen zu sein, hatte er den Befehl erteilt, sie in den Kerker zu werfen, sie wachzuhalten und ihr nur soviel zu essen zu geben, daß sie am Leben blieb. Er hatte gewußt, daß sie sich schließlich einverstanden erklären würden, zu
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