Helden des Olymp, Band 3: Das Zeichen der Athene (German Edition)
liebte seinen Werkzeuggürtel. Er wünschte nur, die Taschen wären groß genug für eine Kettensäge oder vielleicht eine Bazooka.
Er stand auf und sah sich auf der Insel um – weiß gebleichte Dünen, Decken aus Gras und mit Salz überzogene Felsquader wie mit Zuckerguss. »Festus sagt, dass es hier in der Nähe Himmlische Bronze gibt, aber ich bin nicht sicher, wo …«
»Da lang«, Hazel zeigte am Strand entlang. »An die fünfhundert Meter.«
»Woher weißt du …«
»Edelmetall«, sagte Hazel. »Das ist so ein Pluto-Ding.«
Leo fiel ein, dass sie gesagt hatte, Gold sei kein Problem. »Praktische Begabung. Dann los, Frau Metalldetektorin.«
Die Sonne ging unter und der Himmel verwandelte sich in eine bizarre Mischung aus Lila und Gelb. In einer anderen Wirklichkeit hätte Leo einen Strandspaziergang mit einem hübschen Mädchen genossen, aber je weiter sie gingen, umso nervöser wurde er. Endlich bog Hazel ins Binnenland ab.
»Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?«, fragte er.
»Wir sind bald da«, versprach sie. »Also komm schon.«
Und gleich hinter den Dünen sahen sie die Frau.
Sie saß mitten in einer Wiese auf einem Felsblock. Ein schwarz verchromtes Motorrad stand in der Nähe, aber bei jedem Rad war aus den Speichen ein großes Stück entfernt worden wie bei Pac-Man. In diesem Zustand könnte das Motorrad unmöglich fahren.
Die Frau hatte schwarze Locken und war ziemlich knochig. Sie trug eine schwarze Lederhose, hohe Lederstiefel und eine blutrote Lederjacke – im Stil von Michael Jackson bei den Hell’s Angels . Zu ihren Füßen war der Boden mit, wie es aussah, zerbrochenen Muscheln übersät. Sie beugte sich vor, zog weitere aus einem Sack und brach sie auf. Austern? Leo wusste nicht, ob es im Großen Salzsee Austern gab. Er glaubte nicht.
Er wollte nicht so gern näher herankommen. Mit fremden Damen hatte er schlechte Erfahrungen gemacht. Seine alte Babysitterin, Tía Callida, hatte sich als Hera entpuppt und die schlechte Angewohnheit gehabt, ihn zum Schlafen in einen lodernden Kamin zu legen. Die Erdgöttin Gaia hatte seine Mutter mit einem Werkstattbrand ums Leben gebracht, als Leo acht war. Die Schneegöttin Chione hatte in Sonoma versucht, ihn in eine Art Eis am Stiel zu verwandeln.
Aber Hazel lief weiter, also blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.
Als sie näher kamen, fielen Leo beunruhigende Dinge auf. Am Gürtel der Frau war eine aufgerollte Peitsche befestigt. Ihre rote Lederjacke zeigte ein raffiniertes Muster – die verschlungenen Zweige eines Apfelbaumes, auf denen Vogelskelette saßen. Die Austern, die sie aufbrach, waren in Wirklichkeit Glückskekse.
Die zerbrochenen Kekse auf dem Boden reichten ihr bis zu den Knöcheln. Sie zog immer neue aus dem Sack, öffnete sie und las die Weissagungen. Die meisten warf sie weg. Einige entlockten ihr ein unzufriedenes Gemurmel. Sie strich mit dem Finger über das Papierstück, wie um etwas zu verwischen, dann versiegelte sie den Keks auf magische Weise wieder und warf ihn in einen in der Nähe stehenden Korb.
»Was machen Sie denn da?«, fragte Leo unwillkürlich.
Die Frau schaute auf. Leos Lunge füllte sich so schnell, dass er dachte, sie müsse bersten.
»Tante Rosa?«, fragte er.
Es ergab keinen Sinn, aber diese Frau sah genauso aus wie seine Tante. Sie hatte die gleiche breite Nase mit dem Muttermal auf der einen Seite, den gleichen verdrossenen Mund und die gleichen harten Augen. Aber sie konnte nicht Rosa sein. Rosa würde sich niemals so anziehen, und soweit Leo wusste, war sie auch noch in Houston. Sie konnte nicht in der Mitte des Großen Salzsees Glückskekse aufbrechen.
»Das siehst du also?«, fragte die Frau. »Interessant. Und du, Hazel, Liebes?«
»Wie haben Sie …?« Hazel wich erschrocken zurück. »Sie sehen aus wie Mrs Leer, meine Lehrerin im dritten Schuljahr. Ich habe sie gehasst.«
Die Frau kicherte schrill. »Hervorragend. Du konntest sie nicht leiden, was? Hat Sie dich ungerecht behandelt?«
»Sie … Sie hat meine Hände auf den Tisch geklebt, wenn ich mich nicht gut benommen hatte«, sagte Hazel. »Sie hat meine Mutter als Hexe bezeichnet. Sie hat mir alles Mögliche unterstellt, was ich nicht getan hatte, und … Nein! Sie muss doch tot sein. Wer sind Sie?«
»Leo weiß das«, sagte die Frau. »Wie denkst du denn über Tante Rosa, Mijo? «
Mijo. So hatte Leos Mom ihn immer genannt. Nach dem Tod seiner Mutter hatte Rosa Leo nicht haben wollen. Sie hatte ihn
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