Helden des Olymp: Der Sohn des Neptun (German Edition)
Stimme einer Frau, an eine leuchtende Höhle und an das Gefühl, dass ihre Lunge sich mit schwarzem Öl füllte.
»Sie ist die Erdgöttin.« Nico schaute den Boden an, als ob der ihm zuhörte. »Die älteste Göttin von allen. Meistens schläft sie tief, aber sie hasst die Götter und ihre Kinder.«
»Mutter Erde … ist böse?«, fragte Percy.
»Und wie«, sagte Nico düster. »Sie hat ihren Sohn, den Titanen Kronos – äh, ich meine Saturn – überredet, seinen Vater, Uranos, umzubringen und die Weltherrschaft an sich zu reißen. Die Titanen haben sehr lange geherrscht. Dann wurden sie von den Kindern der Titanen gestürzt, von den Olympischen Göttern.«
»Das kommt mir bekannt vor.« Percy klang überrascht, als sei eine alte Erinnerung teilweise an die Oberfläche gekommen. »Aber ich glaube, diese Sache mit Gaia habe ich noch nie gehört.«
Nico zuckte mit den Schultern. »Sie war stocksauer, als die Götter an die Macht kamen. Sie hat sich einen neuen Mann genommen – Tartarus, den Geist des Abgrundes – und ein Geschlecht von Giganten geboren. Die haben versucht, den Olymp zu zerstören, aber am Ende haben die Götter sie geschlagen. Jedenfalls … beim ersten Mal.«
»Beim ersten Mal?«, wiederholte Percy
Nico schaute zu Hazel hinüber. Es war wahrscheinlich keine Absicht, dass er ihr ein schlechtes Gewissen machte, aber es kam ihr trotzdem so vor. Wenn Percy die Wahrheit über sie wüsste und die schrecklichen Dinge, die sie getan hatte …«
»Vorigen Sommer«, sagte jetzt Nico, »hat Saturn ein Comeback versucht. Das war der zweite Titanische Krieg. Die Römer im Camp Jupiter haben sein Hauptquartier auf dem Othrys, auf der anderen Seite der Bucht, gestürmt und seinen Thron zerstört. Saturn verschwand …« Er zögerte und ließ Percy nicht aus den Augen. Hazel hatte das Gefühl, dass ihr Bruder fürchtete, noch mehr von Percys Erinnerungen könnten zurückkehren.
»Jedenfalls«, erzählte Nico dann weiter, »ist Saturn vermutlich wieder im Abgrund verschwunden. Wir hielten den Krieg alle für beendet. Aber jetzt sieht es aus, als ob die Niederlage Gaia im Schlaf gestört hätte. Sie fängt an aufzuwachen. Ich habe von wiedergeborenen Riesen gehört. Wenn sie die Götter noch einmal herausfordern wollen, werden sie vermutlich zuerst die Halbgötter vernichten …«
»Das hast du Reyna gesagt?«, fragte Percy.
»Natürlich.« Nico biss die Zähne zusammen. »Die Römer haben kein Vertrauen zu mir. Deshalb hatte ich gehofft, sie würde wenigstens auf dich hören. Kinder des Pluto … na ja, nimm es mir nicht übel, aber sie halten uns für noch schlimmer als Kinder des Neptun. Wir bringen Unglück.«
»Aber sie lassen Hazel doch auch hierbleiben«, sagte Percy.
»Das ist etwas anderes«, sagte Nico.
»Warum?«
»Percy«, schaltete sich Hazel ein. »Hör mal, die Riesen sind nicht das größte Problem. Nicht einmal … nicht einmal Gaia ist das größte Problem. Unsere größte Sorge ist, was dir bei den Gorgonen aufgefallen ist: dass sie einfach nicht sterben.« Hazel sah Nico an. Sie kam ihrem Geheimnis jetzt gefährlich nahe, aber aus irgendeinem Grund hatte sie Vertrauen zu Percy. Vielleicht, weil auch er ein Außenseiter war oder weil er am Fluss Frank gerettet hatte. Er hatte verdient, zu erfahren, was ihnen bevorstand.
»Nico und ich«, sagte sie vorsichtig, »wir glauben, es passiert Folgendes … der Tod ist nicht …«
Ehe sie den Satz vollenden konnte, ertönte vom Hügel her ein Ruf.
Frank kam auf sie zugelaufen. Er trug Jeans, sein lila Camp-T-Shirt und eine Jeansjacke. Seine Hände waren mit Fett verschmiert, weil er Waffen gereinigt hatte.
Wie immer, wenn sie Frank sah, führte Hazels Herz einen kleinen Stepptanz auf und übersprang dabei einen Schlag – und das ging ihr wirklich auf die Nerven. Er war zwar ein guter Freund – einer der wenigen Leute im Camp, die sie nicht behandelten, als ob sie eine ansteckende Krankheit hätte – aber auf diese Weise mochte sie ihn dann doch nicht.
Er war drei Jahre älter als sie und nicht gerade ein Märchenprinz mit dieser seltsamen Kombination von Babygesicht und bulligem Ringerkörper. Er sah aus wie ein kuscheliger Koalabär mit Muskeln. Die Tatsache, dass alle immer versuchten, sie zu einem Paar zu machen – die beiden größten Versager im Camp! Ihr seid doch füreinander geschaffen! –, bestärkte Hazel nur noch mehr in ihrem Entschluss, ihn nicht zu mögen.
Aber ihr Herz wollte da nicht mitmachen.
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