Helden des Olymp: Der Sohn des Neptun (German Edition)
»Er war der stärkste Drache von allen, weißt du«, sagte seine Mutter. »Deshalb konnte er sie besiegen!« Frank wusste nicht, was das bedeutete, aber es klang aufregend.
Dann stupste sie mit so vielen »Ur« seinen Bauch an, dass Frank sich auf den Boden rollte, um dem Kitzeln zu entgehen. »Und dein allererster Ahne, den wir kennen: Der war der Prinz von Pylos. Herkules hat einmal gegen ihn gekämpft. Es war ein harter Kampf!«
»Haben wir gewonnen?«, fragte Frank.
Seine Mutter lachte, aber in ihrer Stimme lag Traurigkeit. »Nein, unser Ahne hat verloren. Aber das war für Herkules nicht leicht. Stell dir vor, du müsstest einen Bienenschwarm abwehren. So war das nämlich. Sogar Herkules hatte Probleme.«
Dieser Kommentar ergab für Frank keinen Sinn, damals nicht und jetzt auch nicht. War sein Ahne ein Imker gewesen?
Frank hatte jahrelang nicht mehr an diese Geschichten gedacht, aber jetzt erinnerte er sich so genau an sie wie an das Gesicht seiner Mutter. Es tat weh, sie wiederzusehen. Frank wäre gern in diese Zeit zurückgekehrt. Er wollte ein kleines Kind sein und sich auf ihrem Schoß zusammenkuscheln.
Im Regenbogenbild fragte der kleine Frank, woher ihre Familie stamme. So viele Helden! Kamen sie aus Pylos oder Rom oder China oder Kanada?
Seine Mutter lächelte und legte den Kopf schräg, wie um sich die Antwort zu überlegen.
»Li-Jien«, sagte sie endlich. »Unsere Familie stammt aus vielen Orten, aber unsere Heimat ist Lie-Jien. Und vergiss das nie, Frank: Du hast eine besondere Begabung. Du kannst alles sein.«
Der Regenbogen löste sich auf und nur Iris und Frank waren noch da.
»Ich verstehe das nicht.« Seine Stimme klang heiser.
»Deine Mutter hat es doch erklärt«, sagte Iris. »Du kannst alles sein.«
Das klang wie eine von diesen blödsinnigen Bemerkungen, die Eltern von sich geben, um das Selbstbewusstsein ihrer Kinder zu heben – abgelutschte Slogans, die auf Iris’ T-Shirts stehen könnten, zusammen mit »Die Göttin lebt« und »Mein anderes Auto ist ein fliegender Teppich!«. Aber so, wie Iris es sagte, klang es wie eine Herausforderung.
Frank presste die Hand gegen seine Hosentasche, wo er den Orden seiner Mutter aufbewahrte. Das Silbermedaillon war eiskalt.
»Ich kann überhaupt nicht alles sein«, erklärte er. »Ich kann doch nichts.«
»Was hast du ausprobiert?«, fragte Iris. »Du wolltest Bogenschütze werden. Das ist dir ziemlich gut gelungen. Du hast bisher erst an der Oberfläche gekratzt. Deine Freunde Hazel und Percy – die sind hin- und hergerissen zwischen den Welten: Griechisch und Römisch. Vergangenheit und Gegenwart. Aber bei dir ist es noch schlimmer. Deine Familie ist uralt – das Blut von Pylos auf Seiten deiner Mutter, und dein Vater ist Mars. Kein Wunder, dass Juno dich als einen ihrer sieben Helden haben will. Sie will, dass du gegen die Giganten und Gaia kämpfst. Aber überleg dir: Was willst du ?«
»Mir bleibt keine Wahl«, sagte Frank. »Ich bin der Sohn des blöden Kriegsgottes. Ich muss diesen Einsatz schaffen und …«
»Du musst«, sagte Iris. »Du willst nicht. So habe ich auch gedacht. Dann hatte ich es satt, die Dienerin aller Welt zu sein. Für Jupiter Weinkelche zu holen. Für Juno Briefe auszutragen. Für alle, die eine goldene Drachme springen ließen, Botschaften über den Regenbogen hin- und herzuschicken.«
»Eine goldene was?«
»Ist egal. Aber ich habe gelernt, loszulassen. Ich habe die R.Ö.K.L. gegründet und habe den Ballast abgeworfen. Du kannst auch loslassen. Vielleicht kannst du dem Schicksal entgehen. Eines Tages wird dieses Holzstück wirklich brennen. Ich kann voraussehen, dass du es dabei in der Hand hältst, und dein Leben wird ein Ende nehmen …«
»Danke«, murmelte Frank.
»Aber das macht dein Leben nur kostbarer. Du brauchst nicht das zu sein, was deine Eltern und deine Großmutter erwarten. Du musst nicht die Befehle des Kriegsgottes oder Junos befolgen. Tu, was du selbst willst, Frank! Finde einen neuen Weg!«
Frank dachte darüber nach. Die Vorstellung war großartig: die Götter abzulehnen, sein Schicksal, seinen Vater. Er wollte nicht der Sohn eines Kriegsgottes sein. Seine Mutter war schließlich in einem Krieg gestorben. Frank hatte durch einen Krieg alles verloren. Mars hatte eindeutig keine Ahnung von ihm. Frank wollte kein Held sein.
»Warum erzählst du mir das?«, fragte er. »Ich soll den Einsatz aufgeben, zulassen, dass Camp Jupiter zerstört wird? Meine Freunde verlassen sich auf
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