Helden des Olymp: Der verschwundene Halbgott (German Edition)
Ausdrücke, natürlich. Das liegt ihnen im Blut, aber nicht so sehr wie Altgriechisch. Ohne viel Übung kann niemand fließend Latein sprechen.«
Jason versuchte, diese Aussage zu begreifen, aber ihm fehlten zu viele Erinnerungsstücke. Noch immer hatte er das Gefühl, dass er nicht hier sein dürfte. Es war falsch – und gefährlich. Aber immerhin war Chiron nicht bedrohlich. Der Zentaur schien sich sogar Sorgen um ihn zu machen, um seine Sicherheit zu fürchten.
Das Feuer spiegelte sich in Chirons Augen wider und ließ sie gereizt aufflackern. »Ich habe deinen Namensvetter unterrichtet, du weißt schon, den ersten Jason. Er hatte einen harten Weg vor sich. Ich habe viele Helden kommen und gehen sehen. Ab und zu geht es gut für sie aus. Aber meistens ist das nicht der Fall. Es bricht mir jedes Mal das Herz; es ist, wie ein Kind zu verlieren, wenn einer meiner Schüler stirbt. Deine Anwesenheit hier könnte eine Katastrophe sein.«
»Danke«, sagte Jason. »Sie sind sicher ein mitreißender Lehrer.«
»Es tut mir leid, mein Junge, aber so ist es eben. Ich hatte gehofft, dass nach Percys Erfolg …«
»Sie meinen Percy Jackson, Annabeths Freund, den Verschollenen?«
Chiron nickte. »Ich hatte gehofft, dass wir nach seinem Sieg im Titanenkrieg und der Rettung des Olymps ein wenig Frieden haben würden. Dass ich vielleicht einen letzten Triumph genießen könnte, ein gutes Ende und danach in aller Stille in Pension gehe. Ich hätte es besser wissen müssen. Das letzte Kapitel rückt näher, wie schon einmal. Das Schlimmste steht noch aus.«
Der Spielautomat in der Ecke machte ein Geräusch wie pju-pju-pju-pju, als sei soeben ein Pac-Man gestorben.
»Ohh-kay«, sagte Jason. »Also – letztes Kapitel, schon mal passiert. Schlimmstes steht noch bevor. Klingt spannend, aber können wir an der Stelle wieder einsetzen, wo ich eigentlich tot sein müsste? Diese Stelle gefällt mir nicht.«
»Ich fürchte, ich kann das nicht erklären, mein Junge. Ich habe beim Fluss Styx und bei allem Heiligen geschworen, dass ich niemals …« Chiron runzelte die Stirn. »Aber du bist hier, was diesen Eid bricht. Auch das dürfte nicht möglich sein. Ich begreife das nicht. Wer könnte so etwas tun? Wer …«
Seymour der Leopard heulte auf. Sein Mund erstarrte, halb offen. Der Spielautomat hörte auf zu piepen. Das Feuer hörte auf zu knistern und die Flammen wurden hart wie rotes Glas. Die Masken starrten Jason mit ihren grotesken Traubenaugen und den belaubten Zungen schweigend an.
»Chiron?«, fragte Jason. »Was ist hier …«
Auch der alte Zentaur war erstarrt. Jason sprang vom Sofa, aber Chiron starrte noch dieselbe Stelle an, sein Mund war mitten im Satz offen stehengeblieben. Seine Augen blinzelten nicht. Seine Brust bewegte sich nicht.
Jason, sagte eine Stimme.
Für einen entsetzlichen Moment glaubte Jason, der Leopard habe gesprochen. Dann brodelte düsterer Nebel aus Seymours Mund und Jason kam ein noch schrecklicherer Gedanke: Sturmgeister.
Er zerrte die Goldmünze aus seiner Tasche. Er brauchte sie nur in die Luft zu werfen und sie verwandelte sich in ein Schwert.
Der Nebel nahm die Gestalt einer Frau in schwarzen Gewändern an. Ihr Gesicht war unter ihrer Kapuze verborgen, aber die Augen glühten in der Dunkelheit. Über ihren Schultern lag ein Ziegenfell. Jason war nicht sicher, woher er wusste, dass es ein Ziegenfell war, aber er erkannte es und wusste, dass es wichtig war.
Willst du etwa deine Schutzherrin angreifen?, fragte die Frau vorwurfsvoll. Ihre Stimme hallte in Jasons Kopf wider. Lass dein Schwert sinken.
»Wer seid Ihr?«, fragte Jason. »Wie habt Ihr …«
Unsere Zeit ist begrenzt, Jason. Mein Kerker wird mit jeder Stunde stärker. Ich habe einen ganzen Monat gebraucht, um genug Energie zu sammeln, um auch nur die kleinste Magie wirken zu können. Ich habe es geschafft, dich herzubringen, aber jetzt bleibt mir nur noch wenig Zeit und noch weniger Kraft. Das ist vielleicht das letzte Mal, dass ich mir dir sprechen kann.
»Ihr seid im Kerker?«, Jason beschloss, das Schwert vielleicht doch nicht sinken zu lassen. »Hört mal, ich kenne Euch nicht und Ihr seid nicht meine Schutzherrin.«
Du kennst mich, sagte sie entschieden. Ich kenne dich seit deiner Geburt.
»Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich kann mich an überhaupt nichts erinnern.«
Nein, kannst du nicht, stimmte sie zu. Auch das musste sein. Vor langer Zeit hat dein Vater mir dein Leben zum Geschenk gemacht, um meinen Zorn
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