Helden-Maus
dazu ermunterte, deshalb musste ich einfach schnell handeln, wenn ich überhaupt noch irgendeine Hoffnung haben wollte. Das ist die ganze Geschichte.«
»Das meine ich aber gar nicht«, erwiderte Esk. »Warum hast du denn geglaubt, dass ich dich nicht mögen würde?«
»Na ja, ich bin ja nicht so wie die Fleischmädchen.«
»Du weichst mir immer noch aus.«
»Du musst im Kürbis aber eine Menge dazugelernt haben!« rief sie plötzlich.
»Ich habe meine tiefste Angst kennengelernt, und nun kann ich solche Ängste auch bei anderen sehen. Du musst einen guten Grund dafür gehabt haben, zu glauben, dass ich dich nicht mögen würde, wenn ich die Wahrheit erführe.«
»Es ist die Sache mit der Seele«, hauchte sie.
»Die was?«
»Wir Traumwesen besitzen keine Seele. Ohne sie können wir nicht wirklich sein.«
»Du willst meine Seele haben?« rief er entsetzt.
»Vielleicht… die Hälfte?« fragte sie zaghaft.
»Kein Stück bekommst du davon!« rief er empört.
»Ja, natürlich«, sagte sie beinahe unhörbar. »Dann will ich mich entschuldigen und dich danach in Ruhe lassen.«
»Nein! Keine Entschuldigung! Von diesem Trick habe ich genug!« Abrupt wandte er sich von ihr ab und stakste davon.
Inzwischen fanden auch die anderen Gespräche ihr Ende. »Wir müvven weiter inv Tal«, sagte Volney. »Dort werden langvam die Ungeheuer eintreffen.«
»Geht doch erst am Morgen los!« rief Ivy. »Es gibt so vieles, was ich noch hören will!«
Sie willigten ein. Der Tagesmarsch hatte sie ermüdet. Der Pfad, der sie aus dem Kürbis hinausgeführt hatte, war beinahe ebenso verworren gewesen wie der Hinweg, und danach hatten sie vom Kürbis aus noch bis zu Schloss Roogna gehen müssen. Also war es besser, wenn sie am nächsten Morgen ausgeruht die Reise fortsetzten.
Am nächsten Tag brachen alle auf, wobei Volney die Führung übernahm, dann folgten Chex, Esk, Mark, Latia und Bria. Seitdem er ihr Ansinnen abgelehnt hatte, hatte das Messingmädchen kein Wort mehr mit Esk gewechselt, weshalb er sich auch ein wenig schuldig fühlte; andererseits war er aber auch äußerst wütend darüber, dass sie ihn so unverschämt um so etwas gebeten hatte: die Hälfte seiner Seele!
Da erinnerte er sich an etwas, was Chex ihm erzählt hatte, und er ging ein Stück schneller, bis er neben ihr schritt. »Hat deine Mutter nicht die Hälfte ihrer Seele eingebüßt? Um aus dem Nichts herauszukommen?«
»Ja. Das war der Preis der Nachtmähren. Im Kürbisreich sind Seelen sehr gefragt. Deine Eltern haben diesen Preis auch bezahlt.«
»Darüber haben sie nie viel gesprochen«, meinte er. »Ich hätte nie geglaubt, dass jeder von ihnen nur eine halbe Seele besitzt.«
»Nein, das haben sie auch nicht. Der Nachthengst hat am Schluss eine Seele wieder rausgerückt, deshalb hat jeder von ihnen wieder eine ganze. Wahrscheinlich haben sie danach nie wieder darüber nachgedacht.«
Dessen war sich Esk nicht so sicher. »Aber deine Mutter…«
»Meine Mutter hat ihre Seelenhälfte nie zurückbekommen. Aber das hat ihr auch nicht wirklich etwas ausgemacht. Weißt du, das war die Seelenhälfte, die an die Mähre Imbri ging, durch welche diese wirklich werden und den Verlust ihres Körpers im richtigen Nichts überleben und zu einer Tagmähre werden konnte. Und außerdem ist Chems Seele nach einer Weile wieder nachgewachsen, so dass sie in Wirklichkeit gar nichts verloren hat.«
»Seelen können… nachwachsen?« Davon hatte er zwar schon einmal gehört, doch war es ihm jetzt sehr wichtig, die Sache ganz genau zu verstehen.
»O ja, sofern etwas da ist, worauf sie aufbauen können. So bekommen Säuglinge auch ihre Seelen, soweit ich weiß; erst nehmen sie von jedem Elternteil ein Stückchen, das dann weiterwächst, während die Seelen der Eltern auch wieder nachwachsen. Soweit ich weiß, ist es also nicht unbedingt ein Vergnügen, die halbe Seele einzubüßen, aber es ist auch keine Tortur. Ich hätte gar keine eigene Seele, wenn es meiner Mutter nicht gelungen wäre, die ihre wieder zu vervollständigen. Warum fragst du?«
»Bria will die Hälfte meiner Seele haben.«
Chex blickte seitlich auf ihn herunter. »Oh, so weit ist es also schon gekommen? Ich muss sagen, das überrascht mich nicht.«
»Deshalb hat sie sich auch an mich herangemacht. Wegen meiner Seele, damit sie wirklich werden kann.«
»Oh, so siehst du das also?«
»Wie sollte man es denn wohl sonst sehen? Sie hat sich dazu entschlossen, mich zu benutzen, um aus dem Kürbis zu
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