Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Helden-Maus

Titel: Helden-Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
die Wirkung der Pille nach, und sein normales Körpergewicht kehrte zurück. Er wünschte sich, dass er etwas sparsamer mit seiner Energie umgegangen wäre, denn Füße und Beinmuskeln waren auf ungewohnte Weise erschöpft. Je stärker die Wirkung abklang, um so ungemütlicher wurde ihm; er war wirklich ausgepumpt!
    Er machte sich daran, etwas zu essen und das Nachtlager aufzuschlagen, nicht allzu dicht am Wasser, weil ihm die grünen, reptilischen Wesen darin nicht behagten. Nun fühlte er sich einsam; inzwischen hatte er sich nämlich an Gesellschaft gewöhnt und mochte es nicht mehr, allein zu sein. Endlich kletterte er auf einen Baum, um darin zu schlafen; das war zwar nicht bequem, aber relativ sicher.
    Am Morgen tat ihm alles weh, und er kümmerte sich um seine üblichen Bedürfnisse, um sich schließlich der Frage zu widmen, wie er in das Torschloss gelangen sollte. Das Problem bestand darin, dass es unter Wasser lag. Ein riesiger Strudel bildete den einzigen Zugang von oben, und dem traute er nicht. Er könnte zwar eine weitere Pille einnehmen und weniger dicht werden als das Wasser, um durch die Schlossmauern hindurchzugehen – doch dann würde er sich im Inneren in keinem Zustand befinden, um sich mit den Bewohnern zu unterhalten, und wenn die Pille dann nachließ, würden sie vielleicht böse reagieren, weil er auf diese Weise eingedrungen war. Da klopfte er lieber ans Haupttor und bat um Einlass. Doch wo war das Haupttor?
    Nun, es musste ja wohl auch einen Zulieferereingang geben. Man sagte den Fluchungeheuern (die gelegentlich auch Strudelungeheuer genannt wurden) zwar nach, dass sie recht isoliert lebten, doch immerhin mussten auch sie zum Zwecke der Nahrungs- und Holzsuche ihr Schloss gelegentlich verlassen. Diesen Nachschubweg würde er ausfindig machen, um darauf jemanden abzufangen und ihm sein Anliegen vorzutragen. Da er mit diesen Leuten verwandt war, sollte es eigentlich möglich sein, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.
    Er ging am Ufer entlang und hielt sorgfältig Ausschau. Doch der See war riesig, und der Spaziergang dauerte lang. Schließlich fand er aber, was er suchte. Er war in eine Gegend gekommen, die mit Zuchtbäumen besetzt war, was wiederum bedeutete, dass es hier auch Züchter geben musste. Da wuchsen blaue Bäume und rote Bäume und orangefarbene Bäume, deren Früchte allerliebst reiften; und es gab gelbe, grüne und blaue Beerensträucher. Außerdem entdeckte er noch viele verschiedene Pastetenbäume und Deckenbäume sowie alle anderen Feldfrüchte. Zweifellos hatte er den richtigen Ort gefunden.
    Und so dauerte es auch nicht lange, bis er die ersten Stimmen hörte und auf eine Reihe junger Frauen stieß, die in einer Schuhbaumgruppe gerade eine Kollektion Pantoffeln ernteten. Sie trugen einfache Blusen und Röcke in den verschiedensten Pastelltönen, offensichtlich hatten sie die Kleidungsstücke zu anderen Zeiten ebenfalls von Bäumen gepflückt. Die Zöpfe waren recht hübsch mit dazu passenden Kopftüchern zusammengebunden.
    Er schritt auf sie zu. »Entschuldigung«, rief er. »Ich suche das Torschloss.«
    »Iiiihh! Ein Mann!« riefen sie mit einer gewissen Koketterie. Dann begannen sie zu zählen: »Eins, zwei, drei…«
    »Nein!« rief er, als ihm klar wurde, was sie vorhatten. Anders als andere Lebewesen besaßen die Fluchungeheuer nur ein einziges, gemeinsames Talent: die Verfluchung. Ein massiver Fluch konnte verheerend wirken; selbst die Wutkoller seiner Mutter richteten schon genug Schaden an. Er hatte nicht die Absicht, sich vom Fluch mehrerer Mädchen treffen zu lassen.
    Die Frauen verzählten sich und versuchten nicht mehr, ihn zu verfluchen. Dennoch wichen sie misstrauisch vor ihm zurück. »Tun Sie uns nichts, Herr; wir sind einfache Arbeitermädchen«, riefen sie.
    »Und ich bin nur ein Reisender auf der Suche nach dem Torschloss«, wiederholte er. »Aber ich weiß nicht, wie ich dort hineingelangen soll.«
    »Sind Sie sich sicher, dass Sie harmlos sind?« fragte eine von ihnen.
    »Ganz harmlos«, versicherte er ihr.
    »Dann nehmen wir Sie mit, wenn wir gehen«, erwiderte sie. »Aber Sie müssen sich bei den Behörden anmelden.«
    »Das werde ich gern tun«, antwortete er. »Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit bei der Ernte helfen?«
    Sie kicherten und entschlossen sich, ihn helfen zu lassen. So war er ihnen in den folgenden beiden Stunden dabei behilflich, reife Schuhe auszuwählen. Es war wichtig, dass man sie nur in zusammenpassenden Paaren pflückte; viele

Weitere Kostenlose Bücher