Helden-Maus
es ab. Ein Stück Pergament blieb daran haften. »Nur ein kleines Fleckchen«, murmelte er.
»Welche Stelle hat es denn getroffen? Welche Stelle hat es denn getroffen?« flüsterte die Frau.
»Verdammt! Es hat ein Wort ausgelöscht! Nun heißt es… ›wird besagter Dämon dem obengenannten Begünstigten Schaden zufügen.‹ Das Wort ›keinen‹ ist verschwunden.«
»Na, wenn das kein Zufall ist!« sagte die Frau. Doch es war nicht mehr die Frau. Aus dem Bett erhob sich die grässliche Gestalt des Dämons. »Ich frage mich nur, wie dieser Wachstropfen ausgerechnet auf die richtige Stelle fallen konnte?«
Der Jüngling musterte die Gestalt in grausiger Erkenntnis. »Das hast du getan!« rief er. »Du hast mit deiner Magie bewirkt, dass das Wachs genau auf diese Stelle traf! Du hast mich betrogen!«
»Ich habe dir keinen Schaden zugefügt«, widersprach der Dämon. »Ich habe nur ein kleines bisschen Wachs so gelenkt, dass es deine Hand nicht verbrennen konnte. Ich habe den Vertrag eingehalten und werde es auch weiterhin tun.«
»Das wirst du?« fragte der Junge mit plötzlich neu erwachter Hoffnung. »Dann verwandle dich sofort wieder in die Frau!«
»Aber nun hat der Vertragstext für mich eine neue Bedeutung bekommen«, warf der Dämon ein. »Er verpflichtet mich dazu, dir Schaden zuzufügen. Und deshalb…«
Der Jüngling schrie auf, als der Dämon drohend auf ihn zukam, doch dann fiel der Vorhang. Das Stück war zu Ende.
Plötzlich war Esk froh, dass er mit Metria kein Abkommen geschlossen hatte. Dämonen waren einfach zu gerissen. Der Junge im Stück hatte sein Schicksal zwar verdient, aber es war auch ihm eine gehörige Warnung.
Und das Tal der Wühlmäuse wurde von Dämonen überrannt. Nun verstand Esk Volneys Bitte noch sehr viel besser. Sie mussten diese Dämonen vertreiben!
»Ihr Visum ist abgelaufen«, teilte der Magistrat ihm mit. »Sie müssen jetzt verschwinden.«
»Aber zuerst muss ich meine Bitte vorbringen«, erinnerte Esk ihn.
»Ach so, das. Na schön, sprechen Sie.«
»Ich möchte, dass die Fluchungeheuer mir dabei helfen, das Tal der Wühlmäuse von Dämonen zu befreien.«
»Von Dämonen zu befreien? Warum?«
»Damit die Wühlmäuse den ursprünglichen Verlauf des Küssmichflusses wiederherstellen können.«
Der Magistrat lachte. »Was kümmern uns die Wühlmäuse? Wir haben hier am Torschloss schon Probleme genug! Der Wasserstand des Sees steigt und fällt völlig unvorhersehbar, so dass er unsere Ackerbaugebiete abwechselnd überflutet und austrocknet. Unsere Ernten leiden darunter, und die wilden Tiere spielen verrückt. Da werden wir kaum wertvolle Kräfte abstellen, um dummen Tieren dabei zu helfen, Windungen in einen dummen Fluss zu bringen!«
»Aber ich habe doch zwei Tage lang als gutes Musterpublikum gedient!« erinnerte ihn Esk. »Jetzt wissen Sie, wie Sie Ihre Stücke noch besser auf Ihre Zuschauer zuschneiden können. Meinen Sie nicht, dass Sie mir noch etwas schuldig sind?«
Der Magistrat furchte die Stirn. »Vielleicht ist da tatsächlich noch eine winzige Schuld offen. Also gut, wir werden Ihnen eine Person beistellen, die die Situation untersuchen soll.«
»Eine Person?« fragte Esk zweifelnd.
»Ich bin sicher, dass sie schon tun kann, was verlangt wird«, meinte der Magistrat mit kurzem Lächeln.
»Sie?«
»Ihr Name ist Latia. Sie werden sie am Ausgang vorfinden.«
Esk stöhnte innerlich. Wie sollte ihm eine einzige Frau gegen die Dämonen helfen? Doch anscheinend war es das Beste, was er bekommen würde. »Danke«, sagte er mit soviel Würde, wie er aufbringen konnte.
»Am Morgen werden Sie dieses Gebiet verlassen. Ich bin befugt, Ihnen im Namen des Torschlosses Anerkennung für Ihre geleisteten Dienste auszusprechen.«
»Keine Ursache, Torschloss«, erwiderte Esk kurz angebunden.
Am nächsten Morgen schritt er zum Dock, wo die Frau ihn bereits erwartete. Sie war uralt. Ihr Körper war gebeugt und hässlich, ihr Haar strähnig und grau, ihre Haut so runzlig, dass ihre Gesichtszüge darin verschwanden. »Na los, gehen wir endlich, Jüngling«, fauchte sie.
»Äh, weißt du überhaupt, worum ich gebeten habe?«
»Nein. Spielt das eine Rolle?«
Esk seufzte. Vielleicht tat es das ja nicht. So oder so war es unwahrscheinlich, dass sie ihm von großem Nutzen sein konnte.
Sie stiegen hinunter ins Boot und setzten sich. Bald gesellte sich eine Schar Mädchen zu ihnen, deren Beine allerliebst aufblitzten, als sie die Leiter herabstiegen. »Ach, das ist ja
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