Heldenklingen
Vater noch König der Nordmänner war. Er sah seinem jüngeren Ich zu, wie er auf Skarlings Thron saß und selbstzufrieden grinste. Hinab auf Forley den Schwächsten, der gefesselt vor Schlimm-Genug und dessen gezogener Axt lag.
Calder wusste, dass es ein Traum war, aber er fühlte dasselbe lähmende Entsetzen wie immer. Er versuchte zu schreien, aber sein Mund war wie versiegelt. Er versuchte sich zu bewegen, war aber ebenso fest gebunden wie Forley. Gebunden durch das, was er getan, und das, was er nicht getan hatte.
»Was sollen wir tun?«, fragte Schlimm-Genug.
Und Calder sagte: »Tötet ihn.«
In dem Augenblick, in dem die Axt herabsauste, fuhr er jäh aus dem Schlaf, in seine Decken verwickelt. Der Raum war schimmernd dunkel. Er spürte nichts von der warmen Welle der Erleichterung, die normalerweise eintritt, wenn man aus einem Albtraum erwacht. Es war geschehen. Calder schwang sich aus dem Bett und rieb sich die schweißnassen Schläfen. Er hatte sich schon vor langen Jahren davon verabschiedet, ein guter Mensch zu sein, oder etwa nicht?
Wieso träumte er dann immer noch wie einer?
»Frieden?« Calder sah mit einem Ruck auf, und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Im Stuhl in der Ecke saß eine große Gestalt. Ein Umriss, schwärzer als die schwarze Dunkelheit. »Dieses Gequatsche über Frieden war schuld daran, dass man dich überhaupt verbannt hat.«
Calder atmete aus. »Guten Morgen, lieber Bruder.« Scale trug seine Rüstung, aber das war wenig überraschend. Calder glaubte allmählich, dass er auch darin schlief.
»Ich dachte, du wärst der Schlaue von uns beiden? Wenn du so weitermachst, dann lässt dich deine Schläue ganz schnell wieder zu Schlamm werden, und mich gleich mit, und was wird dann aus dem Erbe unseres Vaters? Frieden? An einem siegreichen Tag?«
»Hast du aber ihre Gesichter gesehen? Selbst bei dieser Zusammenkunft waren einige dabei, die gern mit dem Kämpfen aufhören würden, egal, ob wir gerade gesiegt hatten oder nicht. Es werden härtere Tage kommen, und wenn es davon schließlich mehr und mehr gibt, dann werden sie es alle so sehen wie wi…«
»Wie du «, fiel Scale ihm ins Wort. »Mir steht eine Schlacht bevor. Ein Mann wird nicht durch große Reden zum Helden.«
Calder konnte die Verachtung in seiner Stimme kaum unterdrücken. »Vielleicht braucht der Norden ein paar Helden weniger und ein paar Denker mehr. Mehr Menschen, die etwas aufbauen. Gut, unser Vater mag wegen seiner Schlachten in Erinnerung bleiben, aber sein wahres Vermächtnis sind die Straßen, die er bauen ließ, die Felder, die er roden ließ, die Städte, die Schmieden, die Häfen und die …«
»Er hat Straßen gebaut, damit seine Truppen schneller marschieren konnten. Er hat die Felder anlegen lassen, um seine Recken zu ernähren. In den Städten wuchsen Soldaten heran, in den Schmieden wurden Schwerter gefertigt, über die Häfen kamen Waffen ins Land.«
»Unser Vater hat gekämpft, weil er musste, und nicht, weil er ni…«
»Wir sind hier im Norden!«, bellte Scale, und seine Stimme ließ das kleine Zimmer erzittern. »Hier muss jeder kämpfen!« Calder schluckte; er fühlte sich plötzlich nicht mehr so selbstsicher und sogar ein wenig ängstlich. »Ob er will oder nicht – früher oder später muss jeder kämpfen!«
Calder fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er wollte sich noch nicht geschlagen geben. »Unser Vater zog es vor, mit Worten zu bekommen, was er wollte. Männer hörten darauf, wa…«
»Die Männer hörten auf ihn, weil sie wussten, dass er Stahl in sich hatte !« Scale schlug mit der Faust auf die Armlehne seines Stuhls und das Holz knackte, er schlug noch einmal zu, und sie brach ab, fiel mit lautem Poltern auf die Dielen. »Weißt du, woran ich mich erinnere, was er mir einmal gesagt hat? ›Versuche mit Worten zu bekommen, was du kannst, denn Worte kosten nichts, aber die Worte eines Bewaffneten haben stets einen süßeren Klang. Wenn du zum Reden kommst, vergiss dein Schwert nicht.‹« Er stand auf und warf etwas durchs Zimmer. Calder schrie hell auf; halb fing er, was ihm da entgegenflog, halb prallte es ihm schmerzhaft gegen die Brust. Schwer und hart, schwach metallisch glänzend. Sein Schwert, sorgsam von der Scheide geschützt. »Komm nach draußen.« Scale blickte auf seinen Bruder herab. »Und nimm dein Schwert mit.«
Draußen war es kaum heller als in dem heruntergekommenen Bauernhaus. Am dicht verhangenen östlichen Himmel war der erste schmutzige
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