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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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man als mittelloser Leutnant eines Provinzregiments mit Tugenden wie Fleiß und Loyalität kam. Sie hätte ihm gern gesagt, dass er ein guter Mensch war, dass aber die Welt nun einmal nicht so war, wie die guten Menschen immer dachten. Glücklicherweise war er der Erste, der etwas sagte.
    »Fin, es tut mir leid. Ich weiß, dass du für uns beide das Beste willst. Ich weiß auch, dass du schon viel für mich getan hast. Ich habe dich nicht verdient. Aber trotzdem … lass mich die Dinge auf meine Art erledigen. Bitte. Und versprich mir, dass du nichts … Unüberlegtes tun wirst.«
    »Versprochen.« Sie würde darauf achten, dass alles, was sie tat, wohl durchdacht sein würde. Andernfalls – nun, andernfalls würde sie ihr Versprechen eben brechen. Sie nahm so etwas nicht besonders ernst.
    Er lächelte ein wenig erleichtert und beugte sich zu ihr hinunter, um sie zu küssen. Sie erwiderte den Kuss halbherzig, aber als sie dann spürte, wie er die Schultern hängen ließ, erinnerte sie sich wieder daran, dass er an diesem Tag in Gefahr sein würde, und sie kniff ihn in die Wange und schüttelte sie leicht. »Ich liebe dich.« Deswegen war sie doch überhaupt mitgekommen, oder nicht? Wieso schleppte sie sich denn zusammen mit den Soldaten durch den Dreck? Um bei ihm zu sein. Um ihn zu unterstützen. Um ihn in die richtige Richtung zu stupsen. Die Schicksalsgöttinnen wussten, wie sehr er das nötig hatte.
    »Ich liebe dich noch mehr«, sagte er.
    »Das ist kein Wettbewerb.«
    »Nein?« Er ging hinaus und zog sich dabei die Jacke an. Sie liebte Hal. Wirklich. Aber wenn sie darauf warten wollte, dass er ihnen besorgte, was ihnen zustand, dann würde sie warten, bis der Himmel einstürzte.
    Und sie hatte nicht die Absicht, den Rest ihrer Tage als Gattin eines Obersts zuzubringen.
    Korporal Tunny stand schon lange in dem Ruf, schlafen zu können wie kein anderer in der ganzen Truppe. Er konnte überall und in jeder Lage schlafen, und er beherrschte die Kunst, sofort nach dem Aufwachen völlig einsatzbereit zu sein, oder, noch besser, in kitzligen Momenten gar nicht erst wach zu werden. Er hatte den ganzen Angriff auf Ulrioch verschlafen, im ersten Graben, nur fünfzig Schritte von der Bresche entfernt, um dann gerade rechtzeitig munter zu werden, als die Schlacht schon fast vorüber war, um zwischen den Leichen hin und her zu wuseln und sich einen ebenso schönen Teil der Beute zu sichern wie alle anderen, die an diesem Tag wirklich die Klingen gekreuzt hatten.
    Ein durchweichtes Waldstück bei immer wieder auffrischendem Nieselregen, ein übel riechendes Stück Ölzeug als einziger Schutz – das war für ihn von daher so gut wie ein Federbett. Seine Rekruten waren allerdings nicht annähernd so hart im Nehmen. Tunny wurde im kühlen Schimmer der Morgendämmerung mit einem Ruck wach, den Rücken an einen Baum gelehnt, die Regimentsstandarte in einer Hand, und er schob sein Ölzeug mit einem Finger ein kleines Stück hoch, um zu sehen, wie die zwei Männer, die ihm noch verblieben waren, auf dem nassen Boden knieten.
    »So ungefähr?«, quäkte Dotter gerade.
    »Nein«, flüsterte Werth. »Der Zunder muss da drunter, und dann musst du es so …«
    Tunny war mit einem Satz auf den Beinen und trat den Haufen glitschiger Zweige auseinander, den die beiden aufgeschichtet hatten. »Kein Feuer, ihr Idioten! Wenn der Feind auch vielleicht nicht die Flammen sieht, so bemerkt er auf alle Fälle doch den Rauch!« Nicht, dass es Dotter gelungen wäre, diese lächerliche Sammlung durchweichter Holzstückchen in Brand zu setzen, und wenn er es zehn Jahre lang probiert hätte. Er hielt nicht einmal den Feuerstein richtig.
    »Wie können wir dann aber unseren Schinken braten, Korporal Tunny?« Werth hielt sein Kochgeschirr in die Höhe, auf dessen Boden sich schlaff ein blasses und unappetitliches Stück Fleisch ringelte.
    »Gar nicht.«
    »Wir werden ihn roh essen?«
    »Würde ich nicht empfehlen«, sagte Tunny, »vor allem Ihnen nicht, Werth, bei Ihren sensiblen Eingeweiden.«
    »Meinen was ?«
    »Ihrem nervösen Darm.«
    Werth ließ die Schultern hängen. »Aber was essen wir dann?«
    »Was haben Sie denn sonst noch?«
    »Nichts.«
    »Dann ist heute nichts Ihr Frühstück, es sei denn, Sie finden noch etwas Besseres.« Tunny war schlecht gelaunt, und zwar noch schlechter, als man nach dem unsanften Wecken vor dem Morgengrauen hätte erwarten sollen. In seinem Hinterkopf lauerte das Gefühl, dass er wegen irgendetwas wütend sein

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