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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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dem Weg, rannte auf die Brücke und stürzte sich ins Wasser. Dort, wo er sich durch den Schildwall gedrängt hatte, kam die Formation in Unordnung, und die hintere Reihe franste ebenfalls leicht aus. Keiner wollte einfach nur dastehen und gespickt werden, und Lust auf den Nahkampf mit derart gepanzerten Gegnern hatte erst recht niemand. Natürlich wussten alle, dass der Schwarze Dow den Geruch brennender Feiglinge liebte, aber der Schwarze Dow war weit weg. Die Union hingegen war entsetzlich nahe und kam ständig näher. Beck konnte beinahe sehen, wie die Männer dort unten der Mut verließ, wie sie sich aneinander drängten, der Schildwall Lücken bekam, die Speere wackelten.
    Der namhafte Mann, der den Befehl führte, drehte sich um, brüllte die anderen an und schwenkte seine Axt; dann sank er plötzlich auf die Knie und versuchte mit dem Arm nach etwas zu greifen, das sich auf seinem Rücken befand. Er fiel vornüber, und ein Bolzen ragte aus seinem schönen Mantel. In diesem Augenblick ertönte ein lauter Ruf auf der anderen Seite der Brücke, und die Union stürmte voran. Das polierte Metall kam stampfend näher wie ein wütendes Tier. Nicht im wilden Angriffslauf einer Gruppe Carls, eher mit gleichmäßigem, schnellem, entschlossenem Schritt. Ohne dass auch nur ein Schlag geführt worden wäre, brach die Schildmauer auseinander, und die Männer rannten davon. Der nächste Hagel Pfeile erwischte ein Dutzend oder mehr im Rücken, und die anderen stoben in alle Richtungen über den Platz. Wie eine Schar Spatzen, dachte Beck, die aufflog, wenn man in die Hände klatschte.
    Er beobachtete einen Mann, der mit drei Bolzen im Rücken über das Pflaster robbte. Beobachtete ihn mit aufgerissenen Augen, während ihm der Atem stockte. Wie es sich wohl anfühlte, wenn so ein Pfeil ins Fleisch drang? So richtig tief hinein? In den Hals. In die Brust. In die Nüsse. Oder eine Klinge? Metall war so hart und scharf, und Körper waren so weich. Wie war das, wenn einem das Bein abgeschlagen wurde? Wie sehr konnte so etwas wehtun? So oft er früher von Schlachten geträumt hatte – an solche Dinge hatte er nie zuvor gedacht.
    Los, wir hauen ab. Er drehte sich zu Reft, um die Worte auszusprechen, aber der ließ gerade einen Pfeil von der Sehne schnellen, fluchte und zog einen neuen aus dem Köcher. Beck hätte dasselbe tun sollen, wie Flut es ihm befohlen hatte, aber sein Bogen schien eine Tonne zu wiegen, und seine Hand war so schwach, dass er ihn gar nicht richtig packen konnte. Bei den Toten, ihm war schlecht. Sie mussten abhauen, aber er war sogar zu feige, um die Worte auszusprechen. Zu feige, um den Jungs im Untergeschoss seine zitternde, schreiende, beschissene Angst zu zeigen. Er konnte nur dastehen, mit dem Bogen am Fenster, aber er hatte nicht einmal die Sehne gefasst. Wie ein Kerl, der den Schwanz zum Pissen aus den Hosen holt und dann feststellt, dass er nicht kann, während ihm jemand zusieht.
    Wieder hörte er Refts Bogen schnellen. Hörte ihn schreien: »Ich geh nach unten!« Das lange Messer blank in der einen, das kleine Beil in der anderen Hand wandte er sich nun tatsächlich zur Treppe. Beck sah ihn mit halboffenem Mund hinterher, brachte aber keinen Ton heraus. Gefangen im Zwiespalt zwischen der Angst, allein in der Dachstube zu bleiben, und seiner Angst, mit hinunter zu gehen.
    Er zwang sich, wieder aus dem Fenster zu sehen. Unionisten schwärmten über den Platz, die Soldaten mit den schweren Rüstungen, gefolgt von weiteren. Dutzenden. Hunderten. Pfeile zischten aus den umstehenden Häusern auf sie hinab. Überall Leichen. Ein Stein flog vom Dach der Mühle und hinterließ eine Delle in einem Unionistenhelm, brachte den Mann, der ihn trug, ins Wanken. Aber sie waren überall, stürmten durch die Straßen, trommelten gegen Türen, erschlugen die Verwundeten, die wegzuhumpeln versuchten. Ein Unionsoffizier stand in der Nähe der Brücke und deutete mit seinem Säbel auf die Häuser; er trug eine überkandidelte Jacke mit Goldstickerei, wie der Gefangene, den Espe mitgenommen hatte. Beck hob seinen Bogen, fand sein Ziel, zog endlich die Sehne aus.
    Er konnte nicht. In seinen Ohren dröhnte Lärm, er konnte nicht denken. Schließlich begann er so stark zu zittern, dass er kaum noch etwas sah, und am Ende kniff er die Augen zusammen und ließ den Pfeil ins Nichts fliegen. Es war der Einzige, den er abgeschossen hatte. Zum Weglaufen war es nun zu spät. Sie waren schon draußen vor dem Haus. Er war gefangen. Er

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