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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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hatte seine Chance gehabt, aber nun waren die Unionisten überall. Splitter flogen ihm ins Gesicht, und er taumelte wieder in die Stube, rutschte aus und knallte so heftig auf den Hintern, dass seine Absätze über den Boden schrammten. Ein Flachbogenbolzen steckte im Fensterrahmen, hatte das Holz gespalten, und seine schimmernde Spitze ragte ins Zimmer hinein. Beck lag da, auf die Ellenbogen gestützt, und starrte den kleinen Punkt aus Metall an.
    Er sehnte sich nach seiner Mutter. Bei den Toten, und wie sehr! Was war das nur für ein Wunsch für einen Mann?
    Beck rappelte sich auf, da er nun von überall her Krachen und Schläge hörte, Heulen und Brüllen, das kaum nach Menschen klang, von unten, von draußen, von drinnen, sein Kopf fuhr bei jeder Andeutung eines Geräuschs herum. Waren sie schon im Haus? Suchten sie ihn? Er konnte nichts tun, außer hier zu warten und zu schwitzen. Seine Beine waren schweißnass. Zu nass. Er hatte sich bepisst. Bepisst wie ein Kind. Und er hatte es nicht einmal gemerkt, bevor seine nasse Hose kalt geworden war.
    Er zog das Schwert seines Vaters, fühlte sein Gewicht. Es hätte ihm Stärke vermitteln sollen, so wie es früher immer der Fall gewesen war. Aber stattdessen bekam er Heimweh. Heimweh nach dem stinkenden, kleinen Raum, in dem er es sonst immer gezogen hatte, nach den Tapferkeitsträumen, die jedes Mal mit der Klinge aus der Scheide gefahren waren. Nun konnte er sich beim besten Willen nicht mehr vorstellen, sich je nach einem Kampf gesehnt zu haben. Er schlich näher zur Treppe, den Kopf abgewandt, und sah nur aus dem Augenwinkel hinunter, die Augen noch dazu fast ganz zusammengekniffen, als ob es ihm Sicherheit geben mochte, wenn er das Elend nicht mit klarem Blick erfasste.
    Unter ihm tobten wilde Bewegungen, Schatten, noch dunklere Schatten und Lichtflecken, die durch die geborstenen Fensterläden ins Zimmer fielen, zerbrochene Möbel, schimmernde Klingen. Das gleichmäßige Geräusch zersplitternden Holzes ließ vermuten, dass jemand einzudringen versuchte. Stimmen, verzerrt und ohne Aussage, Unionssprache oder vielleicht auch gar keine. Schreien und Wimmern.
    Zwei von Fluts Nordlandjungs lagen auf dem Boden. Aus einem strömte Blut. Der andere sagte immer wieder: »Nein, nein, nein.« Colving stach mit wildem, verrücktem Gesichtsausdruck nach einem Unionisten, der sich durch die Tür gequetscht hatte. Reft kam plötzlich aus den Schatten und schlug dem Mann mit seinem Beil von hinten auf den Helm, so dass er auf Colving stürzte, und hackte dann auf seinen Brustpanzer ein, während sein Gegner aufzustehen versuchte, bis Reft endlich die Lücke zwischen Panzer und Helm fand und ihn mit halb herabhängendem Kopf niederstreckte.
    »Lasst sie nicht rein!«, schrie er, sprang zur Tür und schob sie mit der Schulter wieder zu.
    Ein Unionist brach durch einen der geschlossenen Fensterläden unten an der Treppe. Beck hätte ihn von hinten erstechen können. Vielleicht sogar ungesehen. Aber er konnte den Gedanken daran nicht verdrängen, was geschehen mochte, wenn es nicht klappte. Was dann passieren würde, wenn er es getan hatte. Und so tat er nichts. Brait schrie auf, wirbelte herum, um den Unionisten mit seinem Speer zu stechen, aber der Soldat kam ihm zuvor, hob das Schwert und schlug es Brait in die Schulter bis hinunter zur Brust. Der Junge stieß einen eigentümlich gehauchten Aufschrei aus, fuchtelte mit seinem Speer, während der Unionist ihm wieder das Schwert aus dem Körper reißen wollte, und Blut spritzte über sie beide.
    »Hilfe!«, brüllte Stodder, der sich gegen die Wand drückte, ein Beil lose in der Hand. »Hilfe!«
    Beck wandte sich nicht um und rannte davon. Er schlich sich nur leise wieder die Treppe empor, eilte zum offenen Schrank, riss das einzige Regalbrett darin heraus und duckte sich dann in die spinnenwebenverhangenen Schatten im Inneren. Dann zwängte er seine Fingerspitzen in eine Lücke zwischen zwei Latten in der Tür und zog sie zu, vornübergebeugt, den Rücken gegen die Streben gedrückt. Er drängte sich in die Dunkelheit, in das billige Versteck eines Kindes. Allein mit dem Schwert seines Vaters, seinem eigenen wimmernden Atem und dem Lärm seiner Truppe, die ein Stockwerk unter ihm abgeschlachtet wurde.
    Lord Statthalter Meed sah mit gebieterischem Blick aus dem Nordfenster des großen Saals, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und nickte mit wissendem Gesicht, während man ihm in Auszügen über den Fortgang der Schlacht

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