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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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hin und her getigert, erst im Nieselregen, später wenigstens bei trockenem Wetter. Warten, warten, warten, jede Minute so lang wie ein Zeitalter, während seine Gedanken immer wieder im Kreis liefen wie eine Eidechse, die man in ein Glas gesperrt hatte. Immer wieder blickte er nach Süden, obwohl dort nichts zu sehen war, während der Kampfeslärm in Wellen über die Felder drang und manchmal weit entfernt, manchmal schrecklich nah klang. Aber es kam keine Bitte um Hilfe. Es wurden lediglich ein paar Verwundete vorübergetragen, was Calders angespannte Nerven nicht unbedingt beruhigte.
    »Jetzt kommt eine Nachricht«, sagte Schneebleich.
    Calder streckte sich und beschattete seine Augen. Es war Hansul Weißauge, der in scharfem Tempo von der Alten Brücke her angeritten kam. Allerdings lag ein leichtes Lächeln auf seinem zerfurchten Gesicht, als er sein Pferd zügelte, und das erfüllte Calder ein wenig mit Hoffnung. Die Vorstellung, das Eingreifen noch ein wenig hinausschieben zu können, erschien ihm schon fast ebenso gut, wie gar nicht zu kämpfen.
    Er klemmte einen Stiefel zwischen die Stäbe eines Gatters, nahm eine, wie er hoffte, männliche Haltung ein und versuchte kühl wie eine Gurke zu klingen, während sein Herz wilde Trommelwirbel schlug. »Scale steckt wohl schon in der Klemme, was?«
    »Bis jetzt sind es noch die Südländer, die was auf den Sack gekriegt haben, die blöden Ärsche.« Weißauge nahm den Helm ab und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. »Scale hat sie zweimal zurückgetrieben. Beim ersten Mal sind sie über die Brücke marschiert, als hätten sie erwartet, wir würden sie ihnen einfach so überlassen. Aber diesen Eindruck hat dein Bruder schnellstens korrigiert.« Er kicherte vor sich hin, und Schneebleich fiel glucksend mit ein. Calder lachte auch ein wenig, obwohl es einen bitteren Beigeschmack hatte. Aber das war an diesem Tag bei allem so.
    »Beim zweiten Mal haben sie es auch mit Flößen probiert.« Weißauge wandte den Kopf zur Seite und spuckte ins Kornfeld. »Hätte ihnen sagen können, dass die Strömung für solche Späße zu stark ist.«
    »Gut, dass sie dich nicht gefragt haben«, erwiderte Schneebleich.
    »Wohl wahr. Ich denke mal, ihr könnt es euch hier gemütlich machen und eure Stiefel ausziehen. Wenn das so weitergeht, halten wir sie den ganzen Tag locker auf.«
    »Der Tag ist allerdings noch lang«, brummte Calder. In diesem Augenblick sauste irgendetwas blitzschnell an ihnen vorüber. Sein erster Gedanke war, dass sich ein Vogel an den Getreidekörnern gütlich tun wollte, aber dafür war das Tier, oder was immer es war, zu schnell und zu groß. Es schlug einmal im Feld auf, wirbelte Halme und Staub in die Luft und hinterließ eine lange Schneise im Korn. Ein paar hundert Schritt weiter östlich prallte es dann am grasbewachsenen Fuß des Heldenbergs in Clails Mauer.
    Geborstene Steine flogen in die Luft, hoch, hoch hinauf, und dann prasselte eine große Wolke aus Staub und kleinen Stücken wieder herunter. Es waren Teile von Zelten. Ausrüstung. Menschen, wie Calder klarwurde, denn hinter dieser Mauer kampierten überall Männer.
    »Bei …«, begann Hansul und starrte mit offenem Mund auf das Trümmerfeld.
    Dann ertönte ein Geräusch wie ein Peitschenknall, nur tausend Mal lauter. Weißauges Pferd stieg hoch, und er rutschte von seinem Rücken und fiel mit fuchtelnden Armen ins Feld. Überall glotzten die Männer mit großen Augen in die Gegend und brüllten, zogen ihre Waffen oder warfen sich zu Boden.
    Letzteres schien eine gute Idee zu sein.
    »Scheiße!«, zischte Calder, sprang vom Tor und warf sich in einen Graben, nachdem sein Wunsch, möglichst männlich zu wirken, hinter seinem Wunsch, am Leben zu bleiben, gerade den zweiten Platz gemacht hatte. Erde und Steine prasselten wie ein für diese Jahreszeit höchst ungewöhnlicher Hagelschauer auf sie alle herab, trafen klimpernd auf Rüstungen und prallten davon ab.
    »Da haben wir ja richtig Glück gehabt«, erklärte Schneebleich völlig unbeeindruckt, »das war Zehnwegs Stück von der Mauer.«
    Bayaz’ Diener senkte das Fernrohr und kräuselte leicht enttäuscht die Lippen. »Unberechenbar«, sagte er.
    Eine gigantische Untertreibung. Die Vorrichtungen waren nun vielleicht zwei Dutzend Mal abgeschossen worden, und die Munition, bei der es sich um große Kugeln aus Metall oder Stein zu handeln schien, waren an den verschiedensten Stellen eingeschlagen, auf der Bergflanke gegenüber, auf den

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