Heldenklingen
Sumpf des Verzagens hineingesaugt. Die stinkenden Wasser schlagen über meinem Kopf zusammen. Bevor man bis drei zählen kann, bin ich wieder die dämliche, traurige Gestalt, die alle kennen und verabscheuen. Er blickte zurück zu den eigenen Linien. Die Spur zerstückelter Leichen war nun nicht länger etwas, auf das man stolz sein konnte.
Seine Haut prickelte vor Schweiß, wie er unbeweglich dastand und durch die zusammengebissenen Zähne die Luft einzog. Grimmig blickte er über das Kornfeld zu der Mauer im Norden, und zu den Speeren, die dahinter aufragten, und zu den besiegten Männern, die immer noch darauf zuliefen. Vielleicht sollte ich weiter angreifen, ganz allein. Seht nur, der ruhmreiche Gorst! Der über seine Feinde kommt wie ein vom Himmel stürzender Stern! Sein Körper mag gestorben sein, doch sein Name soll ewig leben! Er schnaubte. Der dämliche Gorst, der sein Leben wegwarf, der blöde Arsch mit seiner Fistelstimme. Ist sinnlos ins Grab gefallen wie Kacke in die Gosse, und ebenso schnell vergessen worden.
Er schüttelte sich den zerschlagenen Schild vom Arm und ließ ihn zu Boden fallen, dann zog er den gefalteten Brief mit zwei Fingern hinter dem Brustpanzer hervor, zerknüllte ihn in der Faust und warf ihn von sich. War sowieso ein lächerliches Schreiben. Ich sollte mich schämen.
Dann wandte er sich um und schlurfte mit hängendem Kopf zurück zur Brücke.
Ein einziger Unionssoldat war aus irgendeinem Grund den ganzen Weg hinter Scales Truppen hergerannt. Ein großer, massiger Mann in schwerer Rüstung und mit einer Klinge in der Hand. Er sah nicht besonders triumphierend aus, wie er so den Weg hinaufblickte und seltsam allein auf offenem Feld stand. Er wirkte beinahe so besiegt, wie Calder sich fühlte. Nach einer Weile drehte er sich um und ging langsam wieder zur Brücke zurück. Zu den Gräben, die Scales Männer in der Nacht zuvor ausgehoben hatten, und in denen sich nun die Unionisten verschanzten.
Nicht allen dramatischen Ereignissen auf dem Schlachtfeld gehen ruhmreiche Taten voraus. Manche ergeben sich einfach, weil alle dort hocken bleiben, wo sie sind, und gar nichts tun. Zehnweg hatte keine Hilfe geschickt. Calder hatte sich nicht bewegt. Dabei war das noch nicht einmal eine bewusste Entscheidung gewesen. Stattdessen hatte er einfach dagestanden, durch sein Fernrohr ins Nichts gestarrt und war in quälender Unentschlossenheit erstarrt, bis plötzlich alle von Scales Mannen, die dazu überhaupt noch in der Lage waren, die Flucht ergriffen hatten und die Union die Brücke nahm.
Glücklicherweise sah es so aus, als seien die Gegner nun damit zufrieden. Wahrscheinlich wollten sie sich nicht mehr weiter vorwagen, da nun das Tageslicht allmählich schwand. Schließlich konnten sie genauso gut morgen früh weiter nach Norden drängen. Das war allen bewusst. Durch ihren Sieg hatten sie am Nordufer Fuß gefasst, und trotz der Verluste, die Scale ihnen zugefügt hatte, verfügten sie noch immer über große Truppenstärke. Es sah nun so aus, als habe Scale einen wesentlich höheren Preis bezahlt.
Die letzten der geschlagenen Carls kamen zurückgehumpelt, kletterten über die Mauer und ließen sich ins Korn dahinter fallen, dreckig und blutverschmiert, zerschlagen und erschöpft. Calder hielt einen der Männer fest, die an ihm vorüberliefen.
»Wo ist Scale?«
»Tot!«, schrie der Krieger und schüttelte seine Finger ab. »Tot! Wieso seid ihr nicht gekommen, ihr Wichser? Wieso habt ihr uns nicht geholfen?«
»Drüben auf der anderen Seite des Bachs lagern Unionisten«, erklärte Schneebleich, während er den Mann beiseiteführte, aber Calder hörte das kaum. Er stand am Tor und starrte in der allmählich heraufziehenden Dämmerung hinunter zur Brücke.
Er hatte seinen Bruder geliebt. Dafür, dass er auf seiner Seite gewesen war, wenn sich alle anderen gegen ihn wandten. Weil nichts wichtiger ist als die Familie.
Er hatte seinen Bruder gehasst. Weil er zu blöd war. Und zu stark. Weil er ihm im Weg war. Weil nichts wichtiger ist als Macht.
Und nun war sein Bruder tot. Calder hatte ihn sterben lassen. Indem er einfach untätig geblieben war. War das dasselbe, als jemanden absichtlich zu töten?
Und nun konnte er an nichts anderes denken als an die Schwierigkeiten, die sich durch Scales Tod für ihn ergaben. An die zusätzlichen Aufgaben, die er nun würde übernehmen müssen, an die Verantwortung, der er sich noch nicht gewachsen fühlte. Nun war er der Erbe all der kostspieligen
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