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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Fehden seines Vaters, jenes Vermächtnisses aus Hass und bösem Blut. Und so empfand er nun eher Ärger als Trauer, und gleichzeitig war in ihm eine gewisse Verblüffung darüber, dass er eben wirklich nicht mehr fühlte als das. Alle sahen ihn an. Beobachteten, was er tun würde. Um danach zu beurteilen, was für ein Mensch er war. Beinahe war es ihm peinlich, dass der Tod seines Bruders nicht mehr in ihm auslöste. Kein Schuldbewusstsein, keine Traurigkeit, nur Kälte. Und dann Zorn.
    Sehr viel Zorn.

SELTSAME BETTGENOSSEN
    A ls der Sack mit einem Ruck von ihrem Kopf gezogen wurde, blinzelte Finree mit zusammengekniffenen Augen ins Licht. In das bisschen, was es gab. Der Raum war düster und staubig, hatte zwei größere Fenster und eine niedrige Decke, die in der Mitte leicht durchhing. Spinnweben hingen von den Balken.
    Nur ein paar Schritt entfernt stand ein Nordmann, breitbeinig, die Hände in die Seiten gestemmt und den Kopf leicht in den Nacken gelegt. Es war die Haltung eines Mannes, der es gewohnt ist, dass andere ihm gehorchen. Sein kurzes Haar war mit grauen Strähnen durchsetzt, sein Gesicht scharf gemeißelt und voller alter Narben, der Mund zu einem abschätzigen Ausdruck verzogen. Eine Kette aus schweren, goldenen Gliedern schimmerte auf seinen Schultern. Ein bedeutender Mann. Oder zumindest einer, der sich für bedeutend hielt.
    Hinter ihm stand ein älterer Kerl, der die Daumen neben einem abgewetzten Schwertgriff in den Gürtel geschoben hatte. Sein Kinn bedeckte struppiges Grau auf halbem Weg zwischen Stoppeln und Bart, und seine Wange zierte ein frischer Schnitt, tiefrot in der Mitte, rosa an den Rändern, mit hässlichen Stichen zusammengehalten. Sein Gesichtsausdruck war teils traurig, teils entschlossen, als gefiele ihm nicht, was auf ihn zukam, aber er hätte sich dazu durchgerungen, es um jeden Preis durchzustehen, koste es, was es wolle. Offensichtlich ein Unterführer des anderen.
    Nachdem sich Finrees Augen etwas an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, sah sie eine dritte Gestalt in den Schatten vor der Wand. Eine Frau, wie sie zu ihrer Überraschung bemerkte, und zwar mit schwarzer Haut. Hochgewachsen und dünn, in einen langen Mantel gekleidet, der offen stand und zeigte, dass sie von Kopf bis Fuß in Bandagen gewickelt war. Welche Rolle ihr in diesem Spiel zukam, erschloss sich Finree nicht.
    Die Versuchung war zwar groß, aber Finree wandte sich nicht um. Sie wusste, dass noch jemand hinter ihr stand, dessen raspelnden Atem sie gerade eben noch wahrnehmen konnte. Der Mann mit dem Metallauge. Sie fragte sich, ob er noch immer dieses kleine Messer in der Hand hatte, und wie nahe die Spitze ihrem Rücken sein mochte. Bei diesem Gedanken begann ihre Haut unter dem dreckigen Kleid zu prickeln.
    »Ist sie das?«, fragte der Mann mit der Kette in abfälligem Ton die schwarzhäutige Frau, und als er den Kopf wandte, entdeckte Finree, dass sich dort, wo einmal sein Ohr gewesen war, nur noch eine alte, wulstige Narbe befand.
    »Ja.«
    »Sie sieht nicht gerade so aus, als sei sie die Lösung all meiner Probleme.«
    Die Frau starrte Finree ohne Lidschlag an. »Sie hat wahrscheinlich auch schon mal besser ausgesehen.« Ihre Augen waren wie die einer Eidechse, schwarz und leer.
    Der Mann mit der Kette kam einen Schritt näher, und Finree musste alle Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht zurückzuzucken. Seine ganze Haltung vermittelte den Eindruck, als ob er ohne Vorwarnung gewalttätig werden konnte. Als ob auch die kleinste Bewegung das Vorspiel zu einem Schlag, einer Kopfnuss oder Schlimmerem sein könnte. Als müsste er sich mit bewusster Willensanstrengung davor zurückhalten, sie zu erwürgen, wie es ihm sein Instinkt befahl. »Weißt du, wer ich bin?«
    Sie hob das Kinn und versuchte, nicht eingeschüchtert zu wirken, und höchstwahrscheinlich gelang ihr das nicht. Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie überzeugt davon war, die anderen müssten es gegen ihre Rippen schlagen hören. »Nein«, sagte sie auf Nordisch.
    »Du verstehst mich also.«
    »Ja.«
    »Ich bin der Schwarze Dow.«
    »Oh.« Sie wusste kaum, was sie darauf erwidern sollte. »Ich hätte gedacht, du seist größer.«
    Dow hob eine Augenbraue, durch die eine Narbe verlief, und warf dem älteren Mann einen Blick zu. Der zuckte die Achseln: »Was soll ich dazu sagen? Bist eben kleiner als dein Ruf.«
    »Das sind die meisten von uns.« Dow sah wieder zu Finree, die Augen leicht zusammengekniffen, und wog ihre Antwort ab. »Und

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